Für ein Höchstmaß an Patientensicherheit

Anästhesieärzte überwachen in der Kreisklinik Ebersberg operierte Patienten auf der Intensivstation

Dr. Peter Lemberger mit Dr. Nicole Forster.	Foto: sf

Dr. Peter Lemberger mit Dr. Nicole Forster. Foto: sf

Ebersberg · Manch einer empfindet sie als Gerätemedizin, aber die Intensivmedizin leistet weit mehr als gemeinhin angenommen.

Auskunft über ihre Bedeutung und die Rolle der Anästhesieabteilung auf der Intensivstation der Kreisklinik Ebersberg gibt Dr. Peter Lemberger, Chefarzt der Anästhesie und verantwortlich für die chirurgischen Patienten.

Dr. Lemberger, wann komme ich als Patient auf die Intensivstation?

Dr. Peter Lemberger: Auf unserer Station behandeln wir Patienten mit schweren Begleiterkrankungen behandelt, etwa der Lunge, des Herz-Kreislauf-Systems, der Leber und Nieren oder mit Stoffwechselerkrankungen, zum Beispiel Diabetes mellitus. Dabei handelt es sich oft um ältere Menschen, bei denen nach der Operation aufgrund von Mehrfacherkrankungen ein erhöhtes Risiko für Kreislaufprobleme und Sauerstoffmangel besteht. Außerdem Patienten mit Sepsis (Blutvergiftung) und solche, die durch einen Unfall schwere Verletzungen, eventuell mit hohem Blutverlust erlitten haben. In der Regel übernehmen wir auch Patienten nach mehrstündigen Operationen, selbst wenn sie jung sind und eine gute, körperliche Konstitution haben.

Aus welchem Grund?

Dr. Peter Lemberger: Zur Sicherheit. In der Narkose funktioniert die Temperaturregelung des Organismus nicht mehr. Dadurch wächst bei einer mehrstündigen Operation die Gefahr einer Auskühlung. Zwar werden die Patienten mit speziellen Heizdecken gewärmt, aber oft kann nicht der ganze Körper abgedeckt werden. Daher führen wir in diesen Fällen häufig die Narkose nach der Operation auf der Intensivstation fort. Wir wärmen die Patienten dabei auf und lassen sie erst wieder aufwachen, wenn die normale Körpertemperatur erreicht ist und die Vitalfunktionen stabil sind. Das ist schonender für den Operierten. Ein weiterer Grund können größere Blutverluste bei aufwändigen Operationen sein, die auf der Intensivstation die fortgesetzte Gabe von Infusionen, eventuell Bluttransfusionen und nicht selten auch kreislaufstützender Medikamente erfordern. Wir führen dann eine kontinuierliche Überwachung der Organfunktionen von Herz, Lunge, Darm, Leber und Nieren sowie eine Einschätzung des Flüssigkeitshaushaltes des Patienten durch.

Ist das auf einer anderen Station nicht möglich?

Dr. Peter Lemberger: Keinesfalls. Beatmungen sind nur auf der Intensivstation möglich, ebenso wie eine genaue Flüssigkeitsbilanzierung. Die Blutdruckmessung findet nicht wie üblich in bestimmten Zeitabständen mit Hilfe einer Manschette am Oberarm statt, sondern dauerhaft über einen Gefäßkatheter am Handgelenk oder in der Leiste. Der Blutdruck sowie andere Vitalfunktionen wie etwa Herzfrequenz und Sauerstoffgehalt des Blutes werden auf einem Monitor neben dem Patienten dargestellt. Tritt eine lebensbedrohliche Unregelmäßigkeit auf, ertönt ein Alarmsignal, das zeitgleich im zentralen Stützpunkt der Station ankommt. Hier sind immer Ärzte und intensivmedizinisch geschulte Pflegefachkräfte anwesend, die sofort reagieren können. Zudem sind bei uns alle Monitore in den zwölf Behandlungsräumen miteinander vernetzt, so dass auch der Arzt, der sich gerade bei einem Patienten im Nebenraum befindet, den Alarm hört. Eine solch intensive Überwachung wäre auf einer Normalstation weder personell noch technisch durchführbar.

Welche Aufgaben hat die operative Intensivmedizin außerdem?

Dr. Peter Lemberger: Nach sehr ausgedehnten Operationen wird der Patient zur Schonung nach dem Eingriff noch einige Stunden oder Tage in ein künstliches Koma versetzt. Bei einer Sepsis - zum Beispiel durch eine Bauchfellentzündung nach einem Magendurchbruch - können es sogar Wochen sein. Im künstlichen Koma, das gewissermaßen eine verlängerte Narkose ist, bekommt der Kranke sehr wirksame Schmerzmittel und sein Kreislauf wird erforderlichenfalls medikamentös unterstützt.

Die vielen Geräte und Schläuche jagen Angehörigen oft Angst ein. Berechtigt?

Dr. Peter Lemberger: Für diese Reaktion gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist es die eigene Hilflosigkeit beim Anblick des kranken Angehörigen. Aber künstliche Beatmung und Infusionen bedeuten ja nicht automatisch, dass jemand todkrank ist. Dafür kann es, wie schon erwähnt, zahlreiche andere Gründe geben. Zum anderen empfinden viele die Technik als unpersönlich und glauben, sie ersetze die ärztliche Behandlung. Das ist aber keineswegs so. Die Geräte sind nur eine Hilfe, ohne welche wir nicht so intensiv therapieren könnten, wie der Betroffene es benötigt. Dahinter steht immer ein Team aus Ärzten und Pflegenden. Viele Patienten werden wieder vollkommen gesund. Natürlich gibt es auch hoffnungslose Situationen, in denen wir in Absprache mit den Angehörigen die Entscheidung zum Therapieabbruch treffen. Ich finde es wichtig, dass die Grenzen der Intensivmedizin gesehen werden.

Interview und Bild: Sybille Föll

Artikel vom 29.03.2017
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