Die Vögel

Erding ist der Saatkrähe ausgeliefert

»Sehr ruffreudig« ist die Saatkrähe. Das macht sie, wenn sie 1.300 mal im Stadtgebiet vorkommt, zum Thema. Foto: kw

»Sehr ruffreudig« ist die Saatkrähe. Das macht sie, wenn sie 1.300 mal im Stadtgebiet vorkommt, zum Thema. Foto: kw

Erding · Außer Spesen nichts gewesen, möchte man sagen. Oder wie Thomas Schreder es formuliert: »Die Aktionen sind sehr aufwendig und bringen fast nichts.« Thomas Schreder sagt das in seiner Funktion als Umweltreferent der Großen Kreisstadt Erding und meint damit den Einsatz der Stadt gegen die sich immer weiter ausbreitende Saatkrähe. 649 Nester wurden jüngst gezählt – eine Zahl, die ohne Vergleichswert nicht viel aussagt. Vor einem Jahr waren es 512 Nistplätze.

Das bedeutet einen Zuwachs um mehr als ein Viertel. Jedes Nest ist mit einem Vogelpaar besetzt, jedes Vogelpaar zieht Nachwuchs auf und jede Krähenfamilie macht, ganz ihren Instinkten folgend, zwei Dinge: Lärm und Dreck, insbesondere im Stadtpark und den angrenzenden Gebieten. Allein im Stadtpark wurden 533 Nester festgestellt, doch auch in den benachbarten Straßenzügen kräht und krächzt es ganz gewaltig.

Also lautet der Beschluss, dass man was unternehmen muss. Doch der Stadt Erding sind die Hände gebunden. Die Saatkrähe ist nämlich ein Singvogel und unterliegt dem Naturschutzrecht. Damit ist eine Bejagung vorerst vom Tisch. »Die Saatkrähe darf nicht abgeschossen werden«, betont auch Schreder, der es wissen muss. In einer zweiten Funktion ist er Vorsitzender des Kreisjagdverbands Erding e. V. und als solcher ist er auch mit dem Jagdrecht vertraut.

Wenn die Saatkrähe nun doch bejagt werden dürfte, stünde eben dieses Jagdrecht in Erding dagegen. Denn innerhalb eines befriedeten Bezirks, zu dem ganz allgemein Ortschaften gehören, darf man aus nachvollziehbaren Gründen nicht mit der Schusswaffe auf die Jagd gehen. Was bleibt, ist die Beizjagd. »Wir haben den Einsatz eines Beizvogels geprüft und theoretisch wäre das auch machbar«, macht Schreder den krähengeplagten Erdingern leise Hoffnung, bevor er dieselbe auch gleich wieder begraben muss: »Mehrere Falkner haben sich die Situation bei uns angesehen und befürchten eine Gefährdung ihrer Jagdvögel.« Weil der Beizvogel die Krähe nicht einfach verscheucht, sondern regelrecht jagt und im Erfolgsfall mit seiner Beute auf dem Boden landet. Wenn dieser Boden nun eine Verkehrsstraße ist, was in Erding mehr als nur wahrscheinlich ist, ist auch der Beizvogel stark gefährdet und dieser Gefahr, vom Auto erfasst zu werden, wolle kein Falkner seinen Schützling aussetzen.

Damit bleibt der Stadt nur noch eine Möglichkeit, nämlich die Saatkrähe zu vertreiben oder zu vergrämen, wie es amtlich heißt. Vergrämung ist aufwendig. Krähennester werden entfernt, was in der Regel mit dem Einsatz eines Hubwagens verbunden ist. Die drei Mann Personal müssen ebenfalls in die Rechnung miteinbezogen werden und damit ist der Etat von 15.000 Euro für die Maßnahme schnell aufgefressen. Das zweite Problem: Die Saatkrähe ist ein verhältnismäßig kluger Vogel, der sich nicht so schnell ins Bockshorn jagen lässt. Wird ihr Nest auf der einen Seite entfernt, baut sie sich eben auf der anderen Seite ein neues. Dass ihr von Maßnahmen wie Lärm, Licht und Attrappen natürlicher Feinde keine Gefahr droht, hat die Krähe schnell kapiert.

Der Mensch an sich ist auch nicht dumm und versteht ebenso schnell, dass die Maßnahmen, die ihm bleiben, nicht zum Erfolg führen. Also hat die Stadt Erding die Vergrämungsaktion zu Anfang März bereits beendet und auf einen Antrag auf Verlängerung bis Mitte des Monats verzichtet. Thomas Schreder bleibt aber dran: »Wir sind im Austausch mit der Regierung von Oberbayern und wollen Lösungen für das Problem finden«, beharrt der Umweltreferent. Wichtigstes Ziel sei es, die Splitterkolonien außerhalb des Stadtparks aufzulösen und gegebenenfalls einen Bereich im Stadtpark zu finden, wo die Tiere für die Erdinger keine so große Belästigung oder sogar Belastung darstellen. Der Lärm beginnt schon um vier Uhr in der Früh und beeinträchtigt tagsüber die Schülerinnen und Schüler der benachbarten Mädchenrealschule und des Anne-Frank-Gymnasiums durchaus in ihrer Konzentration. Es ist ganz einfach laut.

Längst ist das Problem Chefsache: »Das Thema entwickelt sich furchtbar«, räumte Erdings Oberbürgermeister Max Gotz ein. Es könnte noch schlimmer kommen, bis hin zu jener Vision aus Alfred Hitchcocks Film »Die Vögel«: Im Bereich »Niedermühle« sollen Bürger schon von brütenden Krähen angegriffen worden sein. Die Gefahr ist laut Gotz groß, dass der Artenschutz Dimensionen annehmen könnte, dass er »vom Menschen nicht mehr verstanden wird.« Ein »weiterer intensiver Anlauf« müsse unternommen werden, so Gotz. Nur dass halt noch keiner weiß, wie genau der aussehen soll.

cr/kw

Artikel vom 17.03.2017
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