Die Riemer Rettungsinsel

Vor genau 60 Jahren wurde das Tierheim an der Riemer Straße eröffnet

Das Tierheim (hier ein Luftbild von 1984): seit 60 Jahren die Rettungsinsel für herrenlose Tiere aus München und dem Umland.	Foto: Tierschutzverein

Das Tierheim (hier ein Luftbild von 1984): seit 60 Jahren die Rettungsinsel für herrenlose Tiere aus München und dem Umland. Foto: Tierschutzverein

München-Ost · Der Tierschutz ist keine Erfindung aus Deutschland und damit auch nicht aus München. Aber was heute und schon seit über 170 Jahren in München für den Tierschutz getan wird, das ist beachtlich.

Ein sichtbares Zeichen des Engagements ist das Tierheim in der Riemer Straße. Es wurde am 1. Dezember 1956 eröffnet – vor genau 60 Jahren.

Damals lobte Oberbürgermeister Thomas Wimmer die »Zähigkeit des Münchner Tierschutzvereins und seinen bayerischen Zweiggruppen«, die mit Unterstützung des Stadtrats und der Münchner Bevölkerung eine wesentliche Voraussetzung für eine vorbildliche Betreuung heimatloser Ankömmlinge geschaffen habe, erklärte Wimmer seinerzeit wörtlich. Politik, Bürgerschaft und »Aktivisten« alle in einem Boot. Und doch haben Tiere nach wie vor nur eine kleine Lobby, die mit viel Ausdauer und Kraft um ihre Ziele kämpfen muss. Dabei ziehen Politik und Bürgerschaft beileibe nicht mit am selben Strang. Die Bürger lassen es an Zugkraft vermissen, die Politik dagegen weniger, nur dass sie im ungünstigen Fall eher am anderen Ende zieht.

Das war und ist zum Glück nicht immer so. In Christine Strobl, Dritte Bürgermeisterin der Stadt München, hat der Tierschutzverein eine echte und engagierte Partnerin, die sich für die Belange des Vereins und damit für die Tiere einsetzt. Im Tierheim wissen die Verantwortlichen diese Unterstützung sehr zu schätzen.

Auch in der lange zurückliegenden Vergangenheit gab es vonseiten der politischen Verwaltung durchaus Unterstützung. 1839 wurde in Nürnberg der »Verein zur Verhinderung von Thierquälerei« gegründet. Daran beteiligt waren auch Münchner Bürger. Nur zwei Jahre später entstand in München ein eigener Tierschutzverein, initiiert von Hofrat Ignaz Perner, nach dem das Tierheim an der Riemer Straße 1956 benannt wurde. Schon 1850 war der Münchner Verein zum Zentrum der europäischen Tierschutzbewegung geworden. Prinz Adalbert von Bayern, Bruder von König Maximilian II. Joseph, übernahm 1852 den Vorsitz des Vereins, der in der Gesellschaft sowohl die ethischen als auch die rechtlichen Grundlagen gegen Tierquälerei verankern wollte. Vor allem Schlachttiere waren damals während der Verarbeitung bei lebendigem Leib extremen Torturen und Schmerzen ausgesetzt. Alte Pferde wurden misshandelt, Katzen ertränkt. Die Mastmethoden für Gänse waren qualvoll und, und, und…

Die Tierschutzbewegung in Deutschland, die von München aus in alle Welt ausstrahlte, hat viel dafür getan und erreicht, dass grausame Behandlungsmethoden, die in jeder Hinsicht eine Misshandlung darstellten, unter Strafe gestellt wurden. Doch der Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Auch die Rettung und Pflege von kranken, verletzten und herrenlosen Tieren hat sich der Verein auf die Fahnen geschrieben. 1928 wurde in Karlsfeld das erste Münchner Tier-Asyl eröffnet, 1956 schließlich das Tierheim, seinerzeit das modernste in Deutschland.

Auf die 60 Hundeboxen war man sehr stolz, doch schon wenige Jahre später reichten sie nicht mehr aus. In den vergangenen 60 Jahren wurde das Tierheim mehrfach erweitert und umgebaut, immer unter größten Anstrengungen. Es fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Ohne den Idealismus der Mitarbeiter könnte der Betrieb kaum aufrechterhalten werden. Doch vom Idealismus kann man nicht leben, erst recht nicht in einer teuren Stadt wie München.

Der Tierschutzverein macht dennoch unermüdlich weiter Werbung für seine Sache. Im Oktober feierte man in der Riemer Straße das Tierheimfest, eine Aktion auch für den Kampf gegen Tierleid. Dieses kann jedoch auch der Münchner Tierschutzverein nicht verhindern und schon gar nicht ausrotten. Das Gegenteil ist der Fall.

In den letzten Jahren macht vor allem der illegale Welpenhandel den Tierschützern schwer zu schaffen. Tiere, die in Bayern von der Polizei »beschlagnahmt« werden, landen oft im Münchner Tierheim. Dort müssen sie in Quarantäne, obwohl die Bedingungen dafür in der Menge kaum noch vorhanden sind. Wieder investiert der Verein in eine Verbesserung der Situation. Gleichzeitig kämpft er für eine Beseitigung der Ursachen. Wenn in Bayern das Verbandsklagerecht im Tierschutz zugelassen wäre, könnte der Verein die illegalen Tierhändler anzeigen und strafrechtlich verfolgen lassen. So könnte das miese Geschäft mit den Tieren aus dem Kofferraum eingedämmt werden. Doch Bayern gehört zu acht Bundesländern, in denen dieses Verbandsklagerecht nicht existiert.

In einem Tauziehen um die Einführung dieses Gesetzes ist die ablehnende Seite mächtig: Es sind die Staatsregierung und die CSU-Mehrheit im bayerischen Landtag, die das Verbandsklagerecht schon mehrfach »abgesägt« haben. Und so bleibt es dabei: Der Tierschutz hat nur eine kleine Lobby. Ihre Zentrale ist das Tierheim »Ignaz Perner« im Osten der Stadt – in München seit 60 Jahren der einzige echte Lichtblick für Tiere in Not. cr

Artikel vom 01.12.2016
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