Ziemlich bestes Theater

Unterschleißheim · Junge Schauspieler gewinnen Preis bei »andersartig gedenken on stage«

Vertreter des Theaterprojekts des Carl-Orff-Gymnasiums und des Heilpädagogischen Centrums Augustinum waren bei der Preisverleihung.	Foto: Max Georgi

Vertreter des Theaterprojekts des Carl-Orff-Gymnasiums und des Heilpädagogischen Centrums Augustinum waren bei der Preisverleihung. Foto: Max Georgi

Unterschleißheim · Eine sechsköpfige Delegation des Heilpädagogischen Centrums Augustinum (HPCA) und des Carl-Orff-Gymnasiums (COG) in Unterschleißheim verbrachte kürzlich zusammen ein Wochenende in Berlin, um an der Preisverleihung des bundesweiten Theaterwettbewerbs »andersartig gedenken on stage« teilzunehmen.

Bei diesem werden Theaterprojekte, die sich mit den Schicksalen der Opfer des nationalsozialistischen »Euthanasieprogramms« auseinandersetzen, ausgezeichnet. Hier wurde das gemeinsame Theaterstück der Schüler des COG und des HPCA »Geheimnisse im Kopf« mit dem zweiten Preis geehrt und die Produktion mit einem Preisgeld von 1.500 Euro belohnt.

Die gemeinsame Inszenierung ist das Ergebnis einer Kooperation der HPCA-Werkstätten und des Oberstufentheaters des COG. Thematisch hat es die »Euthanasie« zwischen 1939 und 1945 zum Gegenstand und beschäftigt sich gleichermaßen mit der Frage nach bedingungsloser Wertschätzung des Lebens in der heutigen Zeit. Das Stück wurde heuer mehrmals aufgeführt.

Bei der Preisverleihung vertraten Sylvia Mannstein (Betreuerin des HPCA), Michael Blum (Theaterlehrer des COG), Stefan Schmidt und Stephanie Baunoch (Mitarbeiter der HPCA Werkstätten), Thomas Minich (ehemaliger Schüler des COG) und Samuel Heilein (Schüler des COG) die inklusive Theatergruppe. Sie verbrachten im Zuge der Preisverleihung ein unterhaltsames und gleichsam informatives Wochenende in Berlin.

Dafür brach die Gruppe bereits früh auf, um mit der Bahn von München nach Berlin zu reisen. Unmittelbar nach der Ankunft am Berliner Hauptbahnhof starteten sie ihre Besichtigungstour durch die Bundeshauptstadt. Besonderen Gefallen fanden die teilnehmenden Jugendlichen an einer Wanderung entlang der Spree, einem Besuch bei der ARD, einem Spaziergang durch das Regierungsviertel sowie einem nächtlichen Gang in die Reichstagskuppel.

Am nächsten Tag folgten Besuche des Bundeskanzleramtes, des Brandenburger Tors und der nahegelegenen Mahn- und Denkmäler für die Opfer des Nationalsozialismus. Nach einer kurzen Stärkung in einem Berliner Café besuchten die Ensemblevertreter zudem die Ausstellung »Pina Bausch und das Tanztheater« im Martin-Gropius-Bau. Im Anschluss spazierte die Theatergruppe entlang der Spree, sah Teile der Berliner Mauer und besichtigte den Checkpoint Charlie bevor es zur Gedenkstätte »Topographie des Terrors« ging. Den lukullischen Abschluss für die jugendlichen Berlinbesucher bildete nach den Anstrengungen des Tages die gemeinschaftliche Einkehr im Deutschen Currywurst Museum.

Und am Abend war es schließlich soweit: Gespannt saßen die Vertreter der Theatergruppe im Veranstaltungssaal des Kulturzentrums »Die Weiße Rose«. Nach Grußworten und Danksagungen, u.a. durch die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, nahm das Ensemble den wohlverdienten Preis entgegen. Der erstplatzierte Beitrag »KÄTHE – ein Opfer der Euthanasie im Nationalsozialismus« des Schulzentrums Geschwister Scholl aus Bremerhaven wurde abschließend für die anwesenden Theatergruppenvertreter aufgeführt.

Am Folgetag nahm die Gruppe aus Unterschleißheim an einer Führung zum »T4«-Mahnmal, dem Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde, teil. Unter dem Decknamen »T4« wurde der Massenmord an Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten geplant. Von Schreibtischen aus organisierten NS-Funktionäre die Tötung der Schwächsten und Wehrlosesten der Gesellschaft: psychisch Kranke, körperlich oder geistig Behinderte.

Ein Historiker erklärte den Vertretern des Inklusionsensembles die Hintergründe und die zugrundeliegende Konzeption der am Gedenk-ort errichteten Skulpturen und Schautafeln und erörterte den langen Weg zum Mahnmal und den Prozess der Gedenkstättenerrichtung, an dessen Ende nun auch ein öffentlichkeitswirksamer Erinnerungsort, der der Opfer der nationalsozialistischen Euthanasieverbrechen gedenkt, steht. Nach dieser eindrucksvollen Führung trat die Gruppe die Heimreise an und erreichte in den Abendstunden den Münchner Hauptbahnhof.

Für die Vertreter der Schauspielgruppe war der Ausflug nach Berlin vor allem eine Chance Freundschaften zu schließen und bestehende zu vertiefen. Auch Samuel Heilein, Schüler des COG, beschreibt die Erfahrungen und Eindrücke des gemeinsamen Wochenendes als prägend. Er hebt hervor, dass kein Mensch auf seine Behinderung reduziert werden darf. Alle sind gleichermaßen Mitschüler, Künstler oder etwa auch begeisterte Fußballfans, ganz gleich welche körperlichen oder geistigen Voraussetzungen sie sonst mitbrächten. Dass alle Mitspieler des inklusiven Theater­ensembles liebenswerte Persönlichkeiten sind, möchte der Schüler seinen Mitmenschen und insbesondere den Lesern dieses Artikels mitgeben.

Artikel vom 14.10.2016
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