Mutmaßlicher Einzeltäter tötet sich selbst - München versinkt beinahe im Chaos

Zehn Tote bei Amoklauf in Moosach

München · Der Schock sitzt tief. Ein mutmaßlicher Amokläufer hat gestern abend beim und im Olympia-Einkaufszentrum in München-Moosach mit Schusswaffen mehrere Menschen verletzt und getötet. Der Täter, nach Angaben der Münchner Polizei ein 18-jähriger Deutsch-Iraner, der in München geboren wurde, löste damit einen Großeinsatz der Polizei mit etwa 2.300 Einsatzkräften aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Österreich aus. Der Täter wurde gegen 20.30 Uhr in der Nähe des OEZ tot aufgefunden. Wahrscheinlich hat er sich selbst das Leben genommen.

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Gegen 17.50 Uhr fielen in der Hanauer Straße vor dem Eingang eines Schnellrestaurants die ersten Schüsse. Videoaufnahmen, die Anwesende mit ihren Smartphones vor Ort gemacht haben, zeigen einen dunkel gekleideten Mann mit einem Rucksack, der mit einem Gegenstand in seiner Hand auf Menschen in unmittelbarer Nähe zielt. Schüsse sind zu hören. Die Münchner Polizei rückte zu einem Großeinsatz aus, sperrte den Bereich um den Tatort weiträumig ab. Zunächst gingen die Beamten von mindestens drei Tätern aus. Auch der Hintergrund war zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar. Ein Terroranschlag war nicht auszuschließen, aufgrund der Annahme, es handle sich um mehrere Täter, war es sogar die wahrscheinlichere Vermutung. In der Nacht bestätigte Polizeipräsident Hubertus Andrä, dass es sich doch um einen Einzeltäter gehandelt habe.

Die Münchner Polizei, die den Einsatz koordiniert hat, erhielt von allen Seiten große Anerkennung für ihr besonnenes und zielgerichtetes Vorgehen. Zunächst gab sie die Anweisung, den Betrieb von U-Bahn, Bussen und Straßenbahnen in München einzustellen, damit die vermuteten Täter nicht damit flüchten konnten. Zeitgleich begann die Evakuierungsaktion rund ums OEZ, die mit großer Besonnenheit, aber zügig ablief. Parallel dazu informierte die Polizei permanent die Bevölkerung per Twitter und Facebook, zum Teil in verschiedenen Sprachen.

Dennoch konnten die Beamten nachvollziehbar hysterische Reaktionen nicht vollständig verhindern. So gab es mehrfach Meldungen von besorgten Bürgern, dass es auch an anderen Stellen in der Stadt Schießereien gegeben habe. Der Stachus wurde in diesem Zusammenhang mehrfach erwähnt. Die Polizei ging allen Hinweisen nach und konnte nach und nach Entwarnung für die weiteren vermuteten Tatorte geben.

Die Suche nach dem Täter konzentrierte sich zunächst auf den Eingang des OEZ an der Hanauer Straße, gegenüber dem Schnellrestaurant. Der Täter war nach Zeugenaussagen in das Einkaufszentrum gegangen und habe auch dort um sich geschossen. Unter den bislang zehn Toten seien auch jugendliche Opfer, wie Andrä bei der Pressekonferenz gegen halb drei in der Nacht bestätigte. Unter den Verletzten seien auch Kinder.

Zwischenzeitlich war der Täter auf ein Parkdeck des OEZ gegangen. Das lassen weitere private Videoaufnahmen, die von einem erhöhten Punkt von gegenüber gemacht wurden, vermuten. Auf der Videosequenz ist zu hören, wie ein Mann den Täter beschimpft, ihn mehrfach als »Wichser« bezeichnet. Es kommt zu einem Wortgefecht, dem zu entnehmen ist, dass wahrscheinlich der Täter sagt: »Ich bin Deutscher.« Kurz darauf sind wieder Schüsse zu hören.

Die Polizei verlor in einer völlig chaotischen und unklaren Situation zunächst die Spur des Täters. Als der junge Mann wenig später tot aufgefunden wurde, mussten die Beamten zunächst sicherstellen, dass sich in dem Rucksack, den er mitgeführt hatte und der neben dem Toten lag, keine Bombe befand.

Als die Polizei zu der Überzeugung gekommen war, dass die Situation unter Kontrolle ist und keine Gefahr mehr für die Passanten besteht, hob sie die Straßensperrungen auf und gab der Münchner Verkehrsgesellschaft grünes Licht für die Wiederaufnahme des Bus-, Tram- und U-Bahn-Verkehrs.

Zwischenzeitlich drohte die Stadt im Chaos zu versinken. Der Verkehr brach an vielen Stellen zusammen, Menschen liefen auch in der Innenstadt panisch um ihr Leben, jedes noch so unbedeutende Vorkommnis löste bei den verängstigten Menschen Schreckreaktionen und vermutete Zusammenhänge mit einem Terroranschlag aus. Menschen flüchteten sich in Geschäfte, die Inhaber und das Ladenpersonal sperrten ab, um sich in Sicherheit zu bringen. Zahlreiche Pendler und Münchner waren in der Stadt regelrecht gefangen, weil es keine freien Wege mehr hinaus gab. Münchner boten unter dem Hashtag #offenetueren ihren Mitmenschen in Not eine Unterkunft an. So schrecklich dieses Ereignis auch war, bei der Bewältigung der Ausnahmesituation hielten die Menschen zusammen und die Mechanismen funktionierten.

Am 22. Juli 2016 wurde der Stadt München erneut eine schwere Wunde zugefügt. Nach dem Terroranschlag auf die Olympischen Spiele 1972 und dem Oktoberfestanschlag 1980 wird dieser Tag ein schwarzer Tag in der Geschichte der Stadt sein. Den 22. Juli 2016 wird niemand vergessen, der an diesem Tag in München war.

cr

Artikel vom 23.07.2016
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