»Besessen von Licht«

Giesing/Harlaching · Neue Kunstinstallation auf dem Hans-Mielich-Platz

Seit Anfang Juli schmückt den Hans-Mielich-Platz die Installation von Patricia Scherer.	Foto: VA

Seit Anfang Juli schmückt den Hans-Mielich-Platz die Installation von Patricia Scherer. Foto: VA

Giesing/Harlaching · Wer von der Unterführung kommend den Giesinger Hans-Mielich-Platz ansteuert, sieht sich plötzlich der bunten, fröhlichen, optimistischen Lehnen- Seite eines leicht überdimensionierten Stuhles gegenüber, der seit Anfang für einige Wochen das Podest des Kunstforums »besetzt« – im doppelten und dreifachen Sinne des Wortes: Denn das hier aufgestellte Sitzmöbel nimmt einerseits auf dem Sockel Platz, weil dieser eben für Kunstinstallationen vorgesehen ist.

Andererseits erzählen seine beiden Fotolehnen-Seiten aus Licht miteinander korrespondierend eine Geschichte, die sich nicht nur auf der Sitzfläche und darunter abspielt – sondern in dem Viertel selbst, in dem das Werk der Künstlerin Patricia Scherer nun bis September gastiert: Es ist zunehmend besetzt von uniformen Gesichtslosen. Sie vertreiben die eigentlich »Eingesessenen« von ihrem Wohn-Sitz. Der Untertitel dieser Installation – »Kein Platz mehr zum Leben« greift damit nicht nur die Bezeichnung „Mehr Platz zum Leben« der Bürgerbewegung hinter dem Standort auf – er deutet die Auseinandersetzung mit der Gentrifizierung Giesings an. Wohl, weil sie auch als Texterin und Autorin arbeitet, hat Scherer an den Wortspielen Gefallen gefunden, die sich immer wieder mit ihrem Lieblingsobjekt »Stuhl« in Verbindung bringen lassen. So nannte sie ihre Installation in der Akademie der Bildenden Künste 2015 zum Auftakt der Lichtwoche anlässlich des UNESCO Jahrs des Lichts »Besetzt – besessen von Licht«. Jetzt ist es nicht ihre eigene »Besessenheit« von Licht und Stuhlobjekten, die sie mit ihrer aktuellen Installation »Besetzt II« thematisiert: So düster das Geschehen auf der Sitzfläche anmutet, die sich in der dunklen Gestalt der Rückenansicht eines Mannes auf der Vorderseite der »Lehnen aus Licht« spiegelt, Scherers eingetragenem Markenzeichen – es gibt auch Hoffnung, wie ein kleiner Schmunzler zeigt.

Denn die Giesinger ergeben sich dem Treiben von »denen da oben«, den Luxussanierern und ihren Genehmigern, die wie ein Damoklesschwert über ihnen schweben, nicht ganz kampflos – sie sägen an dem Stuhl, auf dem die Unpersonen sich in Sicherheit »ergehen«. Und es ist sicher kein Zufall, dass eine der Puppen, die eben jene Untergiesinger Revoluzzer symbolisieren, der Gründerin und Sprecherin der Bürgerinitiative »Mehr Platz zum Leben«, Melly Kieweg, ähnlich sieht. Das belegt die Gesichts-Lehne aus Licht, in der sich die düstere Rückansicht des Anzugmannes auflöst – im strahlenden, optimistischen Lächeln Kiewegs, der Kämpferin für ein bürgerfreundliches Lebensumfeld. Als die Künstlerin die »Rote Melly« bat, sie fotografieren zu dürfen, hatte die Kultur-Ikone keinen blassen Schimmer davon, dass ihr mit diesem Foto für das unermüdliche Engagement ein Denkmal auf eben jenem Podest gesetzt werden würde, das sie zusammen mit vielen Mitstreitern ebenso durchgesetzt hatte wie die Wiederbelebung des Hans-Mielich-Platzes und viele weitere Pro-Bürger-Projekte. Erfahren hat Kieweg davon erst, als an der Umsetzung des Denkmals nicht mehr zu rütteln war – und das ist gut so. Als Zeichen für Untergiesing und für Zivilcourage. Die Ausstellung ist noch bis zum 12. September zu sehen.

Artikel vom 13.07.2016
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