Interview mit Löwen-Amateur-Spielleiter Arnold Geißler

»Wir haben es verdient aufzusteigen«

Beendet seine ehrenamtliche Funktionärstätigkeit: Arnold Geißler. Foto: A. Wild

Beendet seine ehrenamtliche Funktionärstätigkeit: Arnold Geißler. Foto: A. Wild

München/Giesing · Arnold »Sloggy« Geißler, einer der Mitbegründer des Amateurfußballs beim TSV 1860 München, beendet seine ehrenamtliche Funktionärstätigkeit und übergibt nach fünf Jahren das Amt des Team-Managers an seinen Nachfolger Christian Poschet. Die Münchner Wochenanzeiger sprachen zum Abschied mit Geißler, einer ebenso bekannten wie schillernden Figur im Münchner Amateurfußball und Giesinger Urgestein.

Arnold, erleichtert, dass es mit der Meisterschaft für die Amateur-Löwen doch noch geklappt hat?

Wenn du vom ersten bis zum letzten Spieltag auf Platz eins stehst, dann hast du es verdient aufzusteigen, daran besteht überhaupt kein Zweifel.

Trotzdem wurde es zum Schluss noch mal richtig spannend?

Wir hätten den Titel deutlich früher eingetütet, wenn wir nicht derart vom Verletzungspech gebeutelt gewesen wären. Wochenlang hat uns die halbe Stammelf gefehlt. Zum Schluss hatten wir keine Torhüter mehr. Dass wir es trotzdem geschafft und die Reservisten die Lücken geschlossen haben, ist ein wesentlicher Verdienst unseres Trainers Toni De Spirito und spricht für den Teamgeist.

Wie war die Meisterfeier?

Feuchtfröhlich und der verdiente Lohn für die Spieler. Ein liebenswerter Gönner hat uns freundlicherweise finanziell dabei unterstützt.

Du bist als Herren-Spielleiter der Amateure zweimal mit dem TSV 1860 aufgestiegen. Ist die Kreisliga das Ende der Fahnenstange?

Jetzt sind wir da, wo wir hin wollten, in der höchsten Stadtliga Münchens. Das ist in Ordnung – alles Weitere ist für mich Zugabe. Für Bezirks- oder Landesliga bräuchte man schon richtig Kohle, die wir hier aktuell nicht haben. Das muss man realistisch sehen. Wer bei uns spielt, tut es, weil er den Löwen im Herzen trägt. Außer den Trainern bekommt bei uns niemand Geld.

Manche Kritiker behaupten, fünf Jahre um in der Kreisliga zu landen, wären ein arg langer Zeitraum für einen Großverein.

Wir sind seit der Gründung vor fünf Jahren zweimal mit der Dritten und einmal mit der Reserve aufgestiegen und zwar auf ganz normale Weise, nicht weil bei uns mit Geld herum gehauen wurde. Drei Aufstiege in dem Zeitraum sind völlig in Ordnung und überhaupt kein Grund sich zu schämen. Ganz im Gegenteil.

Ihr hattet eine starke Fluktuation im Kader.

Das ist vor dem Hintergrund unserer schnellen sportlichen Entwicklung nicht weiter ungewöhnlich. Als wir angefangen haben mit Amateurfußball beim TSV 1860 München, sollte der Kader für die Herausforderung in der A- und C-Klasse tauglich sein und auch Platz für Akteure vom TSV Weiß-Blau Sechzgerstadion bieten, über den auch ich damals als Funktionär kam. Mit unserem Ziel »Aufstieg in die Kreisklasse« wuchsen dann die fußballerischen Anforderungen. In der Kreisliga wird das in der kommenden Saison auch wieder der Fall sein. Sollten zahlreiche Spieler der ersten Stunde bei nur zweimaligem Training in der Woche völlig problemlos zwei bis drei Leistungsklassen höher gehen können und dann immer noch zu den sportlich Stärksten in ihrer Liga gehören, müssten die ja vorher fußballerisch komplett unterfordert gewesen sein. Das ist selten irgendwo der Fall und war es natürlich auch bei uns nicht. Mit den gestiegenen sportlichen Ansprüchen veränderte sich sukzessive der Kader.

Nicht jeder war dem Druck gewachsen?

Natürlich, das auch – wer im Löwentrikot spielt, hat mehr Druck als andere, das ist einfach so. Jeder Gegner strengt sich gegen dich doppelt und dreifach an und läuft mehr als in jedem anderen Spiel der Saison. Damit müssen unsere Jungs positiv umgehen – mittlerweile klappt das besser als früher.

Was war dein schönstes Erlebnis in deiner Zeit als Herren-Spielleiter?

Ach, da gibt es einige. Natürlich gehören die Aufstiege dazu. Aber auch die Entwicklung der Mannschaft. Zu sehen, wie nach anfänglichen Schwierigkeiten ein Rad ins andere greift, einzelne Spieler sich immer weiter verbessern, aber auch das Team taktisch cleverer agiert. Das sind einzelne kleine Situationen, in denen das plötzlich sichtbar wird, und dann stehst du als Beobachter am Spielfeldrand und hast ein Lächeln im Gesicht und weißt plötzlich wieder wofür der ganze Aufwand gut ist.

Die Verpflichtung von Antonio De Spirito als Trainer erwies sich als Glücksgriff?

Bei Toni merkst du im Training seine ungeheuere Erfahrung in der Ausbildung von Fußballern – davon hat nahezu jeder unserer Spieler sichtbar profitiert. Er hat die Mannschaft taktisch und spielerisch wie erhofft auf ein höheres Niveau gebracht und ist dazu noch ein hundertprozentiger leidenschaftlicher Löwe. Wir haben in dieser Saison die meisten Tore in der Liga geschossen, ohne überhaupt einen klassischen Torjäger in unseren Reihen zu haben. Unsere 62 Buden erzielten 18 verschiedene Spieler – unser bester Torschütze hat gerade mal acht Treffer. Das ist ein typisches Kennzeichen einer spielstarken Mannschaft, die auf allen Positionen über entsprechende Qualität verfügt.

Gibt es Abgänge nach dieser Saison?

Zwei Spieler verlassen uns sicher, sie wollen künftig in der Bezirksliga gegen Bezahlung ihr Glück versuchen. Der Kern der Mannschaft und das Trainerteam bleiben aber erhalten.

Sind Neuzugänge schon bekannt – bis spätestens 30. Juni müssten sich Spieler bei ihrem alten Verein abgemeldet haben?

Ja, wenn sie ohne Zustimmung wechseln wollen, mit Zustimmung geht es bis zum 31. August. Was sich bei uns seit dem feststehenden Aufstieg plötzlich Spieler für die neue Saison anbieten, ist verblüffend. Von überall her. Bei einigen erlischt das Interesse schnell wieder, wenn sie hören, dass man bei 1860 kein Geld verdienen kann. Aber es sind auch ein paar charakterlich gute Jungs darunter, die einfach Lust haben, einmal in ihrer Karriere im Löwentrikot zu spielen und die richtig geil kicken können. Namen kann ich noch keine nennen, aber es sind einige Überraschungen dabei.

Was ist das Ziel für die nächste Saison?

Natürlich der Klassenerhalt – alles andere wäre als Aufsteiger völlig vermessen. Wenn du dir die Abschlusstabelle in der Kreisliga München 2 anschaust, dann liegen zwischen dem Aufstiegsrelegationsplatz und dem Abstiegsrelegationsplatz gerade mal sechs Punkte. Das zeigt wie eng es in dieser Liga zugeht und wie viel Glück und Zufall dabei ist. Wenn du dich akklimatisiert hast, mit dem Spielniveau vertraut bist, dann kannst schauen, was sonst noch möglich ist. Aber wir gehen erstmal absolut demütig an unsere Aufgabe heran. Und wie gesagt, ein weiterer Aufstieg wäre unter den gegebenen Umständen finanziell ohnehin schwierig. In den oberen Ligen sind teilweise Summen unterwegs, da fasst du dir an den Kopf. Bei uns kriegen die Spieler die Sportausrüstung gestellt – das ist die gleiche wie bei den Profis. Aber es gibt kein Geld, auch kein Fahrtgeld oder wie auch immer Zahlungen bei anderen Vereinen sonst deklariert werden. Bei uns spielt man aus Spaß am Fußball und Leidenschaft für die Löwen. Das muss als Motivation reichen.

Ihr sucht für die kommenden Monate, wie man hört, ein Ausweichquartier?

Wir müssen ab Juli, während der Umbauphase am Trainingsgelände, wenn das Kunstrasenfeld ausgetauscht und die Rasenplätze an der Grünwalder Straße saniert werden, auf einem Ausweichplatz spielen und trainieren. Da prüfen wir grad verschiedene Möglichkeiten.

Du übergibst dein Amt als sportlicher Leiter der Amateur-Herren zum 1. Juli an einen Nachfolger.

Christian Poschet übernimmt nächsten Monat mein Amt. Ich bin dann raus. Fünf Jahre sind für mich genug. Ich habe sehr viel Freizeit in die Sache investiert und hatte viele schöne Erlebnisse und Erfolge. Jetzt freue ich mich sehr auf mein Dasein als Zuschauer, ganz ohne Verpflichtungen. Ich komme und gehe, wann ich will – ein Traum. Natürlich stehe ich für eine gewisse Einarbeitungszeit für meinen Nachfolger noch zur Verfügung, wenn Fragen auftauchen sollten, aber mein Abschied fällt mir nicht schwer.

Dann gerätst du auch nicht mehr in Konflikt mit Verbandsfunktionären.

Das ist ein anderes Kapitel, an das ich weniger gern zurückdenken werde. Ich kann einfach manche in meinen Augen praxisfernen Handlungen und Überregulierungen im BFV nicht nachvollziehen und bin da wirklich angefressen. Ehrenamtliche stecken nach Feierabend unglaublich viel Aufwand in die Vereinsarbeit und werden zum Lohn dafür mit Vorschriften gegängelt, als wären sie vollerwerbstätige Fußballprofis, die sich den ganzen Tag lang mit nichts anderem beschäftigen. Es fehlt mir die Wertschätzung für das Ehrenamt und ein gesundes Augenmaß dafür, wie es in der Praxis funktionieren kann. Die Werbekampagnen zum Ehrenamt sind für mich frommer Schein, wenn gleichzeitig kleinste Verstöße gegen ein überbordendes Regelwerk mit absurden Strafen geahndet werden, die in keinem Verhältnis mehr zur Tat stehen. Ich persönlich hab auf so was keine Lust mehr.

Jüngstes Beispiel war für mich eine Strafe, die wir bezahlen sollten, weil sich in einem Freundschaftsspiel nach der Winterpause ein Spieler von uns so schwer verletzt hat, dass das Spiel wegen des ärztlichen Rettungseinsatzes nicht fortgesetzt werden konnte. Unser Spieler lag auf dem Spielfeld und durfte nicht bewegt werden. Weil wir dadurch den Abbruch »herbeigeführt« haben, sollten wir eine Geldstrafe an den Verband entrichten. Genesungswünsche für unseren schwer verletzten Sportkameraden lagen dem Schreiben übrigens keine bei. Da fehlt mir jedes Verständnis dafür. Das mag schon in der Theorie und im Regelwerk alles seine Richtigkeit haben, aber meine Welt ist das nicht. Mehr Gespür für die Situation statt starrer Vorschriften, das vermisse ich und das war früher auch anders – irgendwie menschlicher. Aber vielleicht ist das auch nur eine romantische Erinnerung von mir. Es gibt Einzelne im Verband, die bemühen sich wirklich nach Kräften um sinnvolle Reformen und Projekte, das muss man fairerweise auch erwähnen, aber meines Erachtens nach stehen die auf verlorenem Posten und dienen als Feigenblatt.

Hast du einen Tipp für deinen Nachfolger?

Ruhe und Gelassenheit an den Tag legen – lieber noch mal drüber schlafen, bevor man was Unüberlegtes sagt oder macht und nicht alles gleich persönlich nehmen, was einem in dem Amt begegnet. Gute und solidarische Kontakte zu den Kollegen anderer Vereine pflegen, die Unparteiischen bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit unterstützen und um Verständnis für die schwierige Situation als Alleinschiedsrichter bei Spielen auf Kreisebene werben. Ich selbst hab das nicht immer zu hundert Prozent geschafft, aber ich war stets bemüht (lacht).

Interview: Alfons Seeler

Artikel vom 21.06.2016
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