»Jeder Hunger ist gleich«

Zunehmend mehr Menschen sind auf Münchner Tafel angewiesen

Im Stadtgebiet gibt es insgesamt 27 Ausgabestellen der Münchner Tafel. Kleines Foto: Hannelore Kiethe ist Vorsitzende der Münchner Tafel und von Anfang an dabei. 	Foto: ©Sigfried Kellerer/ Karte: Münchner Tafel

Im Stadtgebiet gibt es insgesamt 27 Ausgabestellen der Münchner Tafel. Kleines Foto: Hannelore Kiethe ist Vorsitzende der Münchner Tafel und von Anfang an dabei. Foto: ©Sigfried Kellerer/ Karte: Münchner Tafel

München · Das Leben in München ist teuer und nun steht wieder das Osterwochenende vor der Tür. Viele Menschen wissen gerade noch nicht, wie sie ihre Lieben dann und überhaupt satt bekommen sollen.

Ein Ausweg für sie ist die Münchner Tafel. Zunehmend mehr Menschen gehen zur Tafel, eben weil ihr Einkommen sie nicht ernähren kann. Die Not ist bei vielen Menschen in München groß, weiß Hannelore Kiethe, Vorsitzende der Münchner Tafel e.V. Gegenüber dieser Zeitung berichtet sie über die aktuellen Entwicklungen:

Münchner Wochenanzeiger: Seit 1994 gibt es die Münchner Tafel bereits. Kommen heute mehr Menschen als am Anfang, Frau Kiethe?

Hannelore Kiethe: Ja definitiv. Wir wachsen gewaltig. Laut Armutsbericht der Stadt München sind rund 200.000 Menschen in München von Armut bedroht oder betroffen. Auch zu Beginn war die Betroffenheit groß, nur war es damals vielmehr eine versteckte Armut. Denn Armut und München – das passte irgendwie nicht zusammen. Wir haben damals geschaut, wo wir helfen können und hatten schnell viel Zulauf. Heute haben wir so viel Zulauf, dass wir mitunter gar nicht alle versorgen können und vielfach Wartelisten haben. Aber wir wollen jedem Bedürftigen helfen. Mittlerweile haben wir eine ausgefeilte Logistik, um den Andrang überhaupt bewältigen zu können. Für mich ist das immer wieder ein kleines Wunder, wie toll das alles funktioniert.

Hatten Sie damals mit solch einer Resonanz gerechnet?

Kiethe: Man hat sich gewünscht, dass es wächst. Dass es sich so entwickelt, hätte ich aber nicht gedacht. Man wusste ja zunächst gar nicht, wie man an die Betroffenen herankommen und deren Vertrauen gewinnen sollte. Das hat sich alles ganz mühsam aufgebaut.

Wer sind die Menschen, die zur Tafel kommen?

Kiethe: Wir haben 27 Ausgabestellen und die Menschen kommen aus allen Stadtteilen. Darunter sind viele ältere Menschen. Die Altersarmut nimmt überhand. Wir haben auch einen großen Zulauf von alleinerziehenden Müttern und Geringverdienern. Eigens für sie haben wir am Samstag eine neue Ausgabestelle in der Großmarkthalle eingerichtet.

Jeder muss sich bei uns bewerben. Dafür gibt es die Telefonsprechstunde, die immer mittwochs von 14 bis 15.30 Uhr stattfindet. Jeder Gast wird überprüft, muss einen Bescheid über den Bezug von ALG II oder der Grundsicherung vorlegen und erhält dann einen Berechtigungsschein. Denn nur Bedürftige sollen hier unterstützt werden. Zwei Drittel der Menschen, die zu uns kommen, sind aus dem Leben geworfen worden. Das sind mitunter Härtefälle, die über Tage nichts gegessen haben. Für viele ist es zunächst beschämend, wenn sie zu uns kommen. Das legt sicher aber meist schnell.

Kommen denn auch Asylbewerber?

Kiethe: Wir helfen auch Asylbewerbern mit Aufenthaltsberechtigung, die sich wie Hartz-IV-Empfänger selbst versorgen müssen. Wer woher kommt, spielt bei uns keine Rolle. Jeder Hunger ist gleich. Natürlich müssen wir gerecht bleiben, aber auch unsere Lebensmittelkapazität hat ihre Grenzen. Etwa 100.000 Kilogramm Lebensmittel verteilen ehrenamtliche Helfer pro Woche.

Wie viele Ehrenamtliche engagieren sich bei der Münchner Tafel?

Kiethe: Inzwischen sind es etwa 600 ehrenamtliche Helfer, die hier ganz viel Herzblut reinstecken. Eine feste große Gruppe, die Freude am Helfen hat, ist von Anfang an dabei. Auch ich bin nach 22 Jahren immernoch mit großer Freude dabei.

Wie läuft denn eine Tafel-Ausgabe ab?

Kiethe: Wir haben rund 160 Sponsoren, die anrufen, wenn wir Lebensmittel abholen können. 17 Lkw sind täglich im Einsatz, holen die Ware ab und beliefern auch 107 soziale Einrichtungen, darunter auch Schulen, sowie die Ausgabestellen. Aufgebaut wird das Ganze dann wie ein Markt. Insgesamt versorgen wir 18.000 Menschen.

Werden die Lebensmittelspenden denn erfahrungsgemäß vor Feiertagen wie beispielsweise Ostern größer?

Kiethe: In der Regel ist das nach Ostern der Fall, so deckt sich der Handel meist vor Ostern gut ein. Wenn wir nicht genügend Spenden erhalten, dann kaufen wir Waren dazu. Schließlich soll jeder einigermaßen versorgt sein.

Wie groß ist die Unterstützung der Münchner Unternehmen und Einrichtungen denn generell?

Kiethe: Die Unterstützung ist groß, dabei ist Nachhaltigkeit unser Thema. Denn ohne die Sponsoren und die Ehrenamtlichen würde es nicht gehen. Wir sind sehr stolz darauf, denn das Vertrauen der Sponsoren muss man sich ja auch erstmal erarbeiten. Viel Unterstützung erhalten wir übrigens auch vom Schirmherr der Münchner Tafel, Claus Hipp, sowie von der Stadt München. Nichtsdestotrotz brauchen wir dringend weitere Sponsoren und Unternehmen, die uns ihre Überproduktion zur Verfügung stellen. Wir holen die Spenden auch selbst ab. Und auch Geldspenden werden benötigt.

Nähere Informationen rund um die Münchner Tafel gibt es auf www.muenchner-tafel.de

Christine Henze

Artikel vom 23.03.2016
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