»Es kann jeden treffen«

Weiteren Straßen im Münchner Norden könnte Ersterschließung bevorstehen

Heute ist die Schittgablerstraße eine Sackgasse. Verkehr gibt es nur noch wenig. Ganz anders war das noch vor fünf Jahren.	Foto: ch

Heute ist die Schittgablerstraße eine Sackgasse. Verkehr gibt es nur noch wenig. Ganz anders war das noch vor fünf Jahren. Foto: ch

München-Nord/Lerchenau · Für die Anlieger der Schittgablerstraße war es Ende Januar ein Schock, als sie die Schreiben der Stadt München öffneten, in welchen von einer geplanten Ersterschließung der knapp 500 Meter langen Straße und einer Kostenbeteiligung von insgesamt etwa 1,55 Millionen Euro die Rede war. 90 Prozent dieser Kosten sollen die Anlieger tragen, zehn Prozent die Stadt.

Straße besteht seit Jahrzehnten

Etwa 20 bis 30 Anlieger gibt es hier – überwiegend junge Familien und ältere Menschen. Robert K. ist einer der Anlieger – seit rund 40 Jahren. Er soll 98.000 Euro für die Erstschließung zahlen. »Bis Ende Januar gab es nicht eine Information über das Vorhaben.« Dennoch solle nun dafür gezahlt werden. Die Erschließungsbeiträge für diese dünn besiedelte Straße liegen je nach Größe des Grundstücks zwischen 5.000 und 131.000 Euro. Auch Anlieger weiterer Straßen in den Randgebieten der Landeshauptstadt, könnten für Ersterschließungsbeiträge zur Kasse gebeten werden – so wie die Anwohner der Schittgablerstraße. Der Streitpunkt: Die Schittgablerstraße, die bis Anfang der 1960er-Jahre Enzianstraße hieß, gibt es seit mehreren Jahrzehnten. Bis vor fünf Jahren war sie eine Durchgangsstraße – eine hochfrequentierte Verbindung von der Lerchenauer- zur Lassallestraße. In dieser Zeit hätten täglich rund 6.500 Pkw und Lkw die Straße genutzt, genau wie eine Buslinie, berichtet Robert K. Unmittelbar an der Straße befand sich eine Ampel, mehrere Gewerbe hatten sich hier angesiedelt. An der Seite gibt es Platz zum Parken. Kanalisation war seit jeher vorhanden. Seit Anfang der 1960er-Jahre unterhält die Stadt die Schittgablerstraße.

Nun soll diese Straße erstmals offiziell erschlossen werden. Den Beschluss dazu gab es im Jahr 2011, der Stadtrat hatte den Ausbau im Dezember vergangenen Jahres genehmigt. »Die Schittgablerstraße entsprach noch nie den städtischen Ausbaurichtlinien bzw. den Merkmalen der endgültigen Herstellung, die in der Erschließungsbeitragssatzung verbindlich festgelegt werden. Die Schittgablerstraße wurde in den letzten Jahrzehnten bewusst in einem provisorischen Ausbauzustand belassen, da eine weitere städtebauliche Entwicklung in diesem Gebiet absehbar war«, sagt Dagmar Rümenapf, Sprecherin des Baureferats der Landeshauptstadt München, auf Nachfrage dieser Zeitung. Erst nach einer städtebaulichen Neuordnung mit einer weiteren Wohnbebauung sei nun die endgültige Herstellung der Straße sinnvoll. Geplant wurde – zwischen dem Löwenzahnweg und ca. 50 Meter westlich der Lerchenauer Straße – die Erweiterung der Fahrbahn auf 5,5 Meter, auf der Nordseite solle zudem ein 2,80 Meter breiter Gehweg entstehen und auf der Südseite ein kleiner Grünstreifen. Darüber hinaus sollen hier Parkbuchten geschaffen werden.

Ob Letztere hier wirklich notwendig sind, bleibt fraglich. Denn natürlich ist die Parksituation besonders im Münchner Norden angespannt. Vor etwa vier Jahren wurde die Schittgablerstraße aber zur Sackgasse. Der Verkehr wurde minimiert. »Parkbuchten sind hier nicht mehr nötig«, findet Robert K. In die Bauplanung involviert wurden die Anlieger nicht – in die Kosten schon. Die ersten Bagger sollen bereits am 29. März rollen. Bis September sollen die Baumaßnahmen abgeschlossen sein. »Wenn Baumaßnahmen nötig sind, dann kann es sich hierbei lediglich um eine Sanierung handeln«, sagt Robert K. Das stehe in keinem Kosten-Nutzen-Verhältnis. In den 1,55 Millionen Euro inbegriffen sind auch Kosten für die Entfernung von Kampfmitteln und Altlasten. Diese wurden im Unterbau bis zu einer Tiefe von etwa einem Meter vorgefunden. Die Entsorgung des kontaminierten Bodens führe zu einem erheblichen finanziellen und baulichen Mehraufwand, heißt es in der Sitzungsvorlage. Kostenpunkt hier(bei Beschluss 2011): mehrere hunderttausend Euro.

»Wir wollen keine Eskalation, sondern den Dialog mit der Stadt und vor allem mehr Transparenz bei den Kosten«, betont Robert K. Die Anlieger hatten auch über Markus Auerbach, Vorsitzender des BA 24, darum gebeten, eine öffentliche Informationsveranstaltung gemeinsam mit der Stadt durchzuführen sowie vorläufig einen Baustopp zu erwirken. Als Antwort vom zuständigen Referat erhielten sie folgende Antwort: »Die schriftliche Vorabinformation vor Baubeginn wurde vom Stadtrat im Jahr 2010 eingeführt; dieser hat dabei bewusst darauf verzichtet, eine gesonderte Informationsveranstaltung durchführen zu lassen.« Die betroffenen Anwohner seien über den bevorstehenden Beitrag durch ein ausführliches Schreiben des Baureferats informiert worden. »Dieses Schreiben dient in erster Linie als Service für die zukünftigen Beitragspflichtigen. Diese sind dadurch in der Lage für die Zukunft finanziell zu planen«, heißt es weiter.

Mehr Transparenz

Als Service könne man das Schreiben von Ende Januar wohl nicht bezeichnen, sagt Robert K. Von »ausführlich« könne ebenfalls nicht die Rede sein. Denn: Die Zusammensetzung der Kosten von 1,55 Millionen Euro wurde überhaupt nicht erläutert. »Wir wollen doch nur mehr Transparenz.« Mit ihrem Anliegen richteten sich die Anlieger bereits an Oberbürgermeister Dieter Reiter, mehrere Stadträte und die zuständigen Referate bei der Stadtverwaltung. Mal genauer nachgehakt hat hier der CSU-Bundestagsabegordnete Joachim Unterländer mittels eines Fragenkatalogs an das zuständige Referat. Eine Möglichkeit die Baumaßnahme zu stoppen, sehe er aber vorerst nicht. Dennoch: »Es ist notwendig, bei solchen Verfahren die Bürger mit einzubeziehen«, betont der Abgeordnete. Darüber hinaus müssen alle Grundstücke, auch die südliche Seite der Straße, mit einbezogen werden. Südlich der Schittgablerstraße befindet sich eine unbebaute Fläche, die von den Kosten ausgenommen ist. Auch auf der nördlichen Seite der Straße liegen zwei Grünflächen zwischen den Häusern, die der Stadt gehören. Auch diese sind von den Kosten ausgenommen. Auch Anliegern anderer Straßen könnte die Ersterschließung noch bevorstehen.

Rümenapf: »Vor allem in den äußeren Stadtbezirken gibt es noch zahlreiche Straßen mit Erschließungsfunktion, die bis heute bewusst noch nicht endgültig hergestellt wurden, weil die bauliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Dies ist aber für die Anwohner nicht von Nachteil.« Für welche Straßen noch Erschließungsbeiträge anfallen, war so nicht zu erfahren. Interessierte erhalten Informationen hierzu jedoch bei der Stadt. Allerdings ist dieser Service kostenpflichtig. Mehr Infos dazu gibt es unter www.muenchen.de Die Anlieger der Schittgablerstraße wollen das Thema nun bei der Bürgerversammlung an diesem Donnerstag, 17. März, ab 19 Uhr in der Mehrzweckhalle an der Georg-Zech-Allee noch mal aufgreifen. »Wir wollen andere sensibilisieren, es kann schließlich jeden treffen«, so Robert K.

Christine Henze

Artikel vom 16.03.2016
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