Doppelte Freude

Einmal pro Woche kommen in München Zwillinge zur Welt

Wie das doppelte Lottchen – die eineiigen Zwillinge Felicia und Amelie ­sehen sich zum Verwechseln ähnlich.	Foto: privat

Wie das doppelte Lottchen – die eineiigen Zwillinge Felicia und Amelie ­sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Foto: privat

München · Eine Geburt ist ein freudiges Ereignis. Manche Eltern können sich im Kreißsaal gleich zwei- oder mehrfach freuen. »In unserem Perinatalzentrum ist etwa jede vierzigste Entbindung eine Zwillingsgeburt«, erklärt Prof. Dieter Grab, Chefarzt der Frauenkliniken im Harlachinger Krankenhaus und im Krankenhaus Neuperlach.

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2014 kamen einmal sogar Vierlinge in seiner Klinik zur Welt. Voll gefordert sind Eltern aber schon mit Zwillingen, weiß die Zwillingsmutter Franziska Schrader, die derzeit einen Zwillingstreff in München plant.

»Mehrlinge sind mein Steckenpferd«, sagt Grab. Über Jahrzehnte hinweg hat er auf diesem Gebiet klinisch gearbeitet. In den Kliniken in Harlaching und Neuperlach seien in den vergangenen zwei Jahren rund 100 Mal Zwillinge, zweimal Drillinge und einmal Vierlinge zur Welt gekommen, berichtet er.

Dennoch sind Mehrlingsgeburten eine Seltenheit. Die Wahrscheinlichkeit, bei einer natürlichen Befruchtung Zwillinge zu gebären, liege bei etwa 1,1 Prozent, so Grab: »Diese Zahlen sind seit Jahren stabil.« Für eine leichte Veränderung sorge jedoch der Umstand, dass inzwischen immer mehr Paare bei der Verwirklichung ihres Kinderwunsches medizinische Hilfe in Anspruch nähmen. Hierdurch habe sich der Wert auf eine Wahrscheinlichkeit von 1:67, also etwa 1,5 Prozent, erhöht. Kinderwunsch-Behandlung bedeute an sich jedoch keine Steigerung der Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsgeburt, sagt Jörg Puchta, Reproduktionsmediziner am Kinderwunschzentrum an der Oper in der Maximilianstraße. Allerdings habe die Reproduktionsmedizin diesbezüglich in der Vergangenheit Fehler gemacht und zum Teil zu viele Embryonen transferiert, räumt er ein.

Im Kinderwunschzentrum an der Oper werde aber fast ausschließlich der Transfer von nur einem Embryo praktiziert: »Wir erachten die Risiken durch eine Zwillingsschwangerschaft bereits als zu hoch und nicht verantwortbar, von einer Drillingsschwangerschaft ganz zu schweigen.«

Entbindungen von mehr als zwei ­Kindern sind äußerst selten. Die Wahrscheinlichkeit, dass auf natürlichem Wege mehrere Embryonen entstünden, verringere sich bei jedem weiteren Mehrling exponentiell, erklärt Grab. Bei Drillingen liege sie bei etwa 1:7.000, bei Vierlingen sei der statistische Wert 1:600.000. Fünflinge sind eine echte Sensation. »Rein statistisch kommt das in Deutschland höchstens alle 50 Jahre vor«, sagt Grab.

In seiner Zeit als Arzt in Ulm habe er einmal Fünflinge entbunden, erzählt Grab. Die Eltern seien damals schockiert gewesen, erinnert er sich: »Zu Anfang der Schwangerschaft hat man nicht alle fünf Kinder gesehen, sie wurden erst nach und nach entdeckt.« Bereits ab Drillingen bestehe für die Mutter ein erhöhtes Risiko.

Erfolgreich entbunden wurden im Harlachinger Krankenhaus vor rund eineinhalb Jahren Vierlinge. Die Eltern hatten sich gezielt für eine Behandlung in der Münchner Klinik entschieden. Beteiligt waren an der Geburt insgesamt 33 Ärzte und Pfleger.

Zwillinge dagegen gelten Grab zufolge inzwischen im medizinischen Sinne fast schon als Routine. Viele Zwillingsschwangerschaften könnten regulär in einer frauenärztlichen Praxis begleitet werden. Nur bei etwa der Hälfte der Fälle sei ein Kaiserschnitt nötig. Gesund zur Welt gekommen sind auch Felicia und Amelie. Die beiden Töchter von Franziska Schrader kamen vor 18 Monaten in der Klinik Dritter Orden zur Welt. »Als klar war, dass ich Zwillinge bekomme, war das erst einmal ein Schock für mich«, erinnert sich Schrader. Geplant gewesen sei eigentlich ein drittes Kind: »Nachdem feststand, dass wir bald vier statt nur drei Kinder haben werden, mussten wir erst einmal umziehen und brauchten ein neues Auto.« Unterschätzt habe sie auch die Belastung, die zwei Säuglinge für eine Mutter bedeuten. »Ich war ja bereits zweifache Mutter und dachte zuerst, das geht schon«, so Schrader.

Bei einer Vierlingsgeburt 2014 waren 33 Ärzte und Pfleger im Einsatz

Beide Babys gleichzeitig herumzutragen oder zu stillen sei jedoch kaum möglich gewesen. Allein sei diese Aufgabe nur schwer zu bewältigen: »Ohne die Hilfe meines Mannes, der zum Beispiel auch nachts aufgestanden ist, wenn die Kinder geschrien haben, hätte ich das nicht geschafft.« Inzwischen habe sich das Familienleben aber gut eingespielt. Beeindruckend sei auch die Beziehung der Zwillinge zueinander: »Sie kommunizieren und kuscheln miteinander. Das zu sehen ist sehr schön.« Und selbstverständlich sehen sich die beiden zum Verwechseln ähnlich. Außer ihr als Mutter gebe es kaum jemanden, der die Mädchen auseinander halten könne, sagt Schrader und lacht. Um Familien mit Zwillingen die Möglichkeit zu geben, sich gegenseitig zu unterstützen und Erfahrungen auszutauschen, plant Schrader einen Zwillingsstammtisch. Stattfinden soll das regelmäßige Treffen im Familienzentrum der Friedenskapelle in der Kemptener Straße in Fürstenried. Interessenten können sich unter der E-Mail familienzentrum@esd-m-fuerstenried.de melden.

Wenngleich die Geburtenzahlen bei Mehrlingen relativ konstant bleiben, verzeichnet München übrigens derzeit mit insgesamt mehr als 17.000 Entbindungen einen außergewöhnlich hohen Geburtenstand. Allein in den Krankenhäusern des städtischen Klinikums wurden 2015 knapp 6.000 Babys geboren – ein neuer Rekord. Geplant ist deshalb, die Frauen- und Kinderkliniken in Schwabing und Harlaching auszubauen. Den Neubau in Schwabing hat der Stadtrat bereits genehmigt.

Von Julia Stark

Artikel vom 05.02.2016
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