Keine Entlastung in Sicht

Oberbürgermeister Dieter Reiter über die Situation der Flüchtlinge in München

Im Herbst kamen täglich mitunter Tausende am Münchner Hauptbahnhof an (großes Foto). OB Reiter berichtet über den Sachstand.  	Fotos: A. Wild/Archiv

Im Herbst kamen täglich mitunter Tausende am Münchner Hauptbahnhof an (großes Foto). OB Reiter berichtet über den Sachstand. Fotos: A. Wild/Archiv

München · Es war das Thema im vergangenen Jahr: Flüchtlinge. Szenen von Ankommenden und helfenden Menschen am Münchner Hauptbahnhof im September gingen um die Welt.

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Seitdem sind einige Wochen vergangen. In einem Interview mit Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) berichtet dieser über den Stand der Entwicklungen.

Münchner Wochenanzeiger: Mit wie vielen Flüchtlingen hatten Sie bis Jahresende 2015 kalkuliert?

Oberbürgermeister Dieter Reiter: Bis Ende des Jahres 2015 hatten wir insgesamt rund 15.000 Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten in München erwartet.

Wie viele Flüchtlinge leben derzeit in der Stadt?

Reiter: Aktuell haben wir in den Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und im Überbrückungsprogramm insgesamt Kapazitäten für rund 8.300 Menschen, die nahezu ausgeschöpft sind. Darüber hinaus befinden sich ca. 5.400 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Obhut des Stadtjugendamtes.

Wie viele erwarten Sie in 2016?

Reiter: Die Prognosen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gehen nicht davon aus, dass sich die Situation kurzfristig entspannt. Wie viele Menschen es tatsächlich sein werden, kann aber zum jetzigen Zeitpunkt niemand verlässlich vorhersagen.

Wie ist die Unterbringungssituation derzeit?

Reiter: Es ist Woche für Woche durchaus eine große Herausforderung, ausreichend Unterkünfte bereit zu stellen. Wir sind froh, dass für die Unterbringung Gewerbeimmobilien, Container und winterfeste Leichtbauhallen und keine Zelte zum Einsatz kommen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind immerhin 30 dieser Einrichtungen in Betrieb. Weitere Einrichtungen sollen so schnell wie möglich zur Verfügung stehen. Und es ist gelungen, keine einzige Turnhalle in München zu belegen. Viele Unterbringungsmaßnahmen sind als Übergangslösung geplant.

Wie sieht das aus, wenn der Flüchtlingsstrom weiter anhält?

Reiter: Wir sind gut vorbereitet. Der Stadtrat hat für weitere 7.800 geplante Plätze für 2016 bereits grünes Licht gegeben. Mit großer Mehrheit, möchte ich hinzu-fügen. Hier sind sich nicht nur die Kooperationspartner CSU und SPD einig, sondern auch sonst die weit überwiegende Mehrheit des Münchner Stadtrats. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir auch die kommenden Herausforderungen gut meistern werden.

Was kostet die gesamte Betreuung der Flüchtlinge in der Stadt München und wer kommt dafür auf?

Reiter: Der Bund, die Länder und die Kommunen kommen für die Kosten auf, je nachdem, wofür das Geld gebraucht wird. Die genauen Kosten für das Jahr 2015 können erst am Jahresende beziffert werden. Bis zu 90 Prozent der Kosten bekommt die Stadt dabei vom Bund beziehungsweise dem Freistaat erstattet.

Die Stadt zahlt zum Beispiel die Kosten für Integrationsmaßnahmen, sowie diverse Projekte im Rahmen des Bürgerschaftlichen Engagements.

Wurden oder werden im Zuge der Bewältigung dieser Aufgaben im Rathaus neue Stellen geschaffen?

Reiter: Ja, insbesondere natürlich für den laufenden Betrieb der Unterkünfte sowie für die sozialpädagogische Betreuung der Flüchtlinge. Gerade für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge brauchen wir einen guten Betreuungsschlüssel, einmal um den jungen Menschen zu helfen, ihre traumatischen Erlebnisse zu überwinden und um ihnen gleichzeitig eine möglichst schnelle Integration in unsere Gesellschaft zu ermöglichen.

Welche Integrationsmaßnahmen hat die Stadt bisher ergriffen, sind weitere in Planung?

Reiter: Wir haben zum Beispiel für das laufende Schuljahr rund 100 Übergangsklassen geschaffen. Das schnelle Erlernen der deutschen Sprache ist Grundlage für eine gute Integration. Nur wer die deutsche Sprache versteht und sich verständigen kann, kann erfolgreich einen Schulabschluss machen, eine Lehre oder einen Beruf ausüben. Deshalb gibt es eine enge Kooperation der Landeshauptstadt München mit Arbeitsagentur, Jobcenter, Kammern, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften.

Unterstützt wird die Integration der neu zu uns kommenden Menschen auch durch Einrichtungen wie Familienzentren oder Nachbarschaftstreffs, die vom Sozialreferat gefördert und in allen Stadtbezirken gezielt eingerichtet werden.

Christine Henze

Artikel vom 11.01.2016
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