Da schau her! Albrecht Ackerland über Weihnachtskäufe

München · Einer hat's dann doch wieder geschafft, mich auf einen Christkindlmarkt zu zerren. Ich stand auf einem der 58 Münchner Weihnachtsmärkte, trank heißes Holunder–Irgendwas.

Dann beobachtete ich eine verzweifelte Mutter, die gerade wieder ihr Kind gefunden hatte, das im dichten Gedränge verschwunden war und sich nun wieder in den Kinderwagen setzte, der sich aber im Gedränge nicht bewegen ließ. Ich half ihr schließlich, einen Weg zu bahnen, denn sie musste zu ihrem Mann, der mit dem Auto in die Innenstadt gefahren war und sich wunderte, dass das gar nicht so leicht geht, mit dem Auto an einem Adventstag in die Münchner Innenstadt zu fahren, weil ganz viele Menschen in die Münchner Innenstadt mit dem Auto fahren müssen. Wie soll man sonst auch all die Geschenke abtransportieren – und all die anderen Ergebnisse von Kaufanreiz und Kaufrausch?

Da wurde mir klar, und deshalb gehe ich fortan zwingend einmal im Jahr auf einen Christkindlmarkt: Von mir kriegt jeder diesmal ein Buch, wer weiß, vielleicht gibt's so etwas im nächsten Jahr schon nicht mehr – ein gedrucktes Buch. Und den Rest meines Budgets spende ich – an das Operndorf in Burkina Faso, das der Künstler Christoph Schlingensief, leider längst verstorben, ersonnen hatte und nun tatsächlich einigen Menschen Bildung und Arbeit und Versorgung gibt. Für einen kurzen Augenblick hatte ich da das Gefühl, Weihnachten verstanden zu haben.

Artikel vom 19.12.2014
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