»Flüchtlinge an der Hand nehmen«

Ex-Profifußballer Jimmy Hartwig unterstützt »Fairplay München«

Die Themen Integration und Flüchtlingshilfe fanden bei Jimmy Hartwig (r.) sofort großen Anklang.	Foto: eis

Die Themen Integration und Flüchtlingshilfe fanden bei Jimmy Hartwig (r.) sofort großen Anklang. Foto: eis

München · In den 70er und 80er Jahren war er ein überaus talentierter Profifußballer, spielte bei namhaften Erstligisten wie Kickers Offenbach, TSV 1860 München, Hamburger SV und dem 1. FC Köln. 1979 bestritt er zwei Spiele für die deutsche Nationalmannschaft. William Georg Hartwig, besser bekannt als Jimmy, stieg aus tiefster Armut an den glitzernden Himmel der Fußballstars empor.

»Fairplay München«

Auf seinen Höhenflug folgte ein tiefer Fall. Inzwischen hat der Ex-Profifußballer wieder Halt gefunden und aus seinen Fehlern gelernt: Gemäß seinem Motto »Nicht schwätzen, handeln!« setzt er sich heute für Männergesundheit, Toleranz, Integration und den Fußballnachwuchs ein. Ab nächstem Jahr engagiert sich Jimmy Hartwig auch als Pate für die Initiative »Fairplay München«, die sich um ein besseres Miteinander im Münchner Amateurfußball bemüht.

Als unehelicher Sohn eines afroamerikanischen US-Soldaten und einer deutschen Mutter wurde Jimmy Hartwig 1954 in Offenbach-Lohwald geboren. Diskriminierung erlebte er aufgrund seiner sozial schwachen Herkunft und seiner dunkleren Hautfarbe von Kindesbeinen an - zunächst auch bei seinem Verein Kickers Offenbach, dem er als Achtjähriger beitrat. »Aber dann wurde mein Talent entdeckt und vom Verein gefördert, meine Hautfarbe rückte dadurch etwas in den Hintergrund. Dennoch musste ich immer einen Schritt schneller, immer etwas besser sein als die anderen, um richtig wahrgenommen zu werden«, erinnert sich der heute 60-Jährige und gesteht: »Mein Können habe ich im Fußball gezeigt und meine große Klappe war mein Schutzschild. Ich war laut und frech, um selbstsicher zu wirken und irgendwann glaubte ich auch, dass ich unverwundbar sei. So habe ich den Boden unter den Füßen verloren.«

In einem wenig behüteten Umfeld ohne Vater sei er stets auf der Suche nach Anerkennung und Liebe gewesen, »dabei habe ich vielen Menschen - vor allem Frauen - wehgetan. Falsche Freunde haben mich fast mein gesamtes Vermögen gekostet. Ich habe unzählige Fehler im Leben gemacht«, weiß Hartwig heute.

Zur Identitätskrise kamen später schwere Krankheiten hinzu. Ein Gehirntumor, dann die Diagnose Prostatakrebs mit 36 Jahren, Diagnose Hodenkrebs mit 37 Jahren. Doch Hartwig ist eine Kämpfernatur, gibt niemals auf, springt immer wieder auf die Beine. Ihm gelingt tatsächlich die Genesung und trotz massiver Geldeinbußen fordert er niemals Hilfe vom Staat ein, sondern sieht sich als seines eigenen Glückes Schmid. Diese Schicksalsschläge erschüttern ihn jedoch innerlich, stimmen ihn nachdenklich und rufen Veränderungen hervor. »Immer wenn alles ganz furchtbar erschien, habe ich von oben noch eins draufbekommen. Ich musste kennenlernen wie es ist ganz tief zu fallen, um mich wieder richtig aufrappeln zu können.« Die Einsicht kam letztendlich mit Wucht und Nachhaltigkeit. „Mir wurde klar: So ist mein Leben. Und um es anderen in einer ähnlichen Situation leichter zu machen, muss ich helfen. Es gibt so viel zu tun!“

Begegnet man Jimmy Hartwig heute, so mag man ihm seine triste Vergangenheit mit zwei gescheiterten Ehen, Geldknappheit und tödlichen Krankheiten kaum glauben. Der 60-Jährige sitzt gesund und charmant lächelnd am Tisch, erzählt frei Schnauze und ohne sich selbst zu schonen von Charakterschwächen und Fehltritten, von der Notwendigkeit, aus diesen zu lernen und sich für andere einzusetzen. So ist er heute Pate diverser gesundheitlicher Präventionskampagnen, hält Vorträge vor großem Publikum, wird als Studiogast zu verschiedensten Sendungen geladen und begleitet als Integrationsbotschafter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Anti-Rassismus-Initiativen bei Workshops in Schulen. Sein Geld verdient der Ex-Profifußballer hauptsächlich als Theaterschauspieler - eine Leidenschaft, der er seit rund zwölf Jahren nachgeht. Besonderen Halt fand er bei seiner Familie: »Ohne meine Frau Stefanie und ihre tatkräftige Unterstützung wäre dies alles nicht möglich.«

„Jimmys direkte Art und sein Ehrgeiz sind genau das, was die Initiative »Fairplay München« benötigt, um noch effektiver auf aktuelle fußballerische und gesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen und gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu finden«, sagt Bernhard Slawinski, BFV Kreis-Vorsitzender München und Fairplay-Leiter. Dass er die Fußball-Legende als Fairplay-Pate gewinnen konnte, freut ihn über alle Maßen. »Nächstes Jahr wird Jimmy unsere Initiative mit verschiedenen Aktionen begleiten, was von den Fußballkids und -jugendlichen sicherlich als Highlight empfunden wird. Für viele ist er ein Vorbild«, weiß der Kreis-Vorsitzende.

Für das kommende Jahr hat sich der Bayerische Fußball-Verband (BFV) eine große Integrations-Aktion für junge Flüchtlinge auf die Fahnen geschrieben, die von Jimmy Hartwig unterstützt wird: »Wir möchten nach Regionen aufgeteilt mit Vereinsvertretern in die nahegelegenen Flüchtlingsunterkünfte gehen, die jungen Menschen bei einem persönlichen Gespräch in die Vereine einladen und sie fürs Fußballspielen begeistern«, erklärt Bernhard Slawinski. Beim Sport und im Verein erlebe man ein Zusammengehörigkeitsgefühl, was gerade unbegleiteten Flüchtlingskindern und -jugendlichen einen strukturierten Alltag, eine neue Aufgabe und Ablenkung, letztlich auch Hoffnung gebe und Selbstvertrauen in ihnen wecke. Einige Münchner Vereine seien hier schon sehr engagiert, jedoch für sich allein tätig. Hier sind neben dem FC Bayern und der SpVgg Unterhaching insbesondere der FC Wacker München und der TSV Solln zu nennen. So arbeitet der FC Wacker bereits mit verschiedenen Gemeinschaftsunterkünften zusammen, der TSV Solln plant im Frühling ein Benefizturnier für die Flüchtlinge. »Nun gilt es, geschlossen als Bayerischer Fußball-Verband an einem Strang zu ziehen, um gemeinsam effektiver handeln zu können«, so Slawinski.

Als DFB-Integrationsbotschafter hat Jimmy Hartwig mit solchen Projekten bereits Erfahrungen gesammelt und weiß: »Gerade hier sind die Ehrenamtlichen gefragt in die Unterkünfte zu gehen, den jungen Flüchtlingen auf persönliche Weise die Hand zu reichen, sie wirklich in unserem Land willkommen zu heißen und ihnen Hilfe beim Erlernen der Sprache, der Kultur und auch der Gesetze zu bieten. Integration besteht nicht darin, einem unbegleiteten Flüchtlingskind als Trost einen Teddybären zu schenken, sondern es aktiv an der Hand zu nehmen und Schritt für Schritt in unsere Gesellschaft einzuführen.«

Gerade in München, wo aufgrund steigender Flüchtlingszahlen dringlichst nach Unterbringungsmöglichkeiten gesucht wird, könnte dieses Vorhaben des BFV von größter integrativer Bedeutung sein. Bei der Sendlinger Bürgerversammlung am 18. November erklärte Bürgermeisterin Christine Strobl, dass die Stadt München zum Jahresende 5.200 Flüchtlinge aufnehmen werde. »Die Aufnahme von Flüchtlingen ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern ein Gebot der Humanität«, so Strobl, »diese Menschen suchen bei uns Schutz und Zuflucht vor Krieg und Verfolgung.« Derzeit stünden 4.163 Plätze zur Verfügung, die Eröffnung neuer Gemeinschaftsunterkünfte sei bereits in Planung.

Aktuell wird von der AWO ein Wohnhaus für junge Flüchtlinge in der Herterichstraße (Solln) eingerichtet, am Westpark prüft die Stadt gerade, ob auf dem Gelände der ehemaligen Gehörlosenschule Container aufgestellt werden können. Möglichkeiten, sich ehrenamtlich für Flüchtlinge einzubringen, finden sich unter www.muenchen.de/fluechtlinge im Internet.

»Wir - der BFV, die Initiative ‘Fairplay München’ und unser neuer Fairplay-Pate - möchten die Stadt München bei dieser großen Aufgabe unterstützen«, versichert der Kreis-Vorsitzende. »Wir führen bereits Gespräche mit zuständigen Politikern und klären, was von unserer Seite getan werden kann.« eis

Artikel vom 27.11.2014
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