Interview mit Axel »Löwenbomber« Dubelowski

»Sechzig ist und bleibt mein Verein«

Axel »Löwenbomber« Dubelowski. Foto: A. Wild

Axel »Löwenbomber« Dubelowski. Foto: A. Wild

München/Giesing · Die Münchner Wochenanzeiger sprachen mit Axel »Löwenbomber« Dubelowski, einem Münchner Urgestein, dessen Tätigkeit als Fanbeauftragter bei der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA nach acht Jahren Anfang November 2014 endete.

Axel, dein berufliches Engagement beim TSV 1860 München ist vorbei.

Mein Handy stand nicht mehr still, als die Meldung durchsickerte. Das war der Wahnsinn. Freunde, Bekannte, entfernte Bekannte, Fans, Spieler, Journalisten von allen Zeitungen, von denen sich die meisten nie eingehender für meine Arbeit interessiert haben, alle wollten plötzlich mit mir reden. Ich bin nicht mehr rangegangen. Nicht aus Unhöflichkeit, sondern aus Selbstschutz.

Danke, dass wir ein Gespräch mit dir führen dürfen.

Ich gebe niemand anderem ein Interview zu dem Thema. Journalisten, die sich gar nicht für Fanarbeit interessieren, aber Honig saugen wollen aus der Nachricht der Trennung und Sechzig schlecht dastehen lassen, das brauche ich nicht. Da wird einem gern mal das Wort im Mund umgedreht und Aussagen werden gegeneinander ausgespielt. Das ist nicht mein Stil. Sechzig ist und bleibt mein Verein.

In einigen Medien hieß es, du wurdest beim TSV 1860 München als Fanbeauftragter entlassen, dann wieder war von einer »Trennung im beiderseitigen Einvernehmen« die Rede. Was stimmt denn nun?

Zweiteres ist richtig. Die Verantwortlichen der KGaA und ich haben uns nach einem klärenden Gespräch getrennt. Ich habe einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet.

Wie kam es dazu?

Ich habe diesen Job acht Jahre gemacht – meistens gerne. Die Bedingungen dafür waren oft brutal schwer. Das Ganze für ein kleines Gehalt, von dem du in München nicht vernünftig leben kannst. Ich konnte mich nur mit Nebenjobs über Wasser halten. Seit 2006 habe ich sechs Geschäftsführer miterlebt. Mit jedem neuen Mann am Ruder mussten die Belange der Fanarbeit und meine Position aufs Neue verhandelt werden. Das Verständnis für meine Arbeit als Fanbeauftragter war je nach Typ unterschiedlich stark. Was eine Buchhalterin und der Hausmeister tagtäglich tun, leuchtet jedem ein. Aber was leistet die Fanbetreuung? Hmm – da wird es für viele unklar. Am Ende war ich des ständigen Kämpfens müde. Als Fanbeauftragter sitzt du zwischen allen Stühlen.

War in deinen Fall das Präsidium involviert?

Ich war Angestellter der KGaA – die hat zwei Geschäftsführer. Das Präsidium ist für den e.V. zuständig und war in die Trennung deshalb auch nicht involviert. Ich hatte in meiner Rolle als Fanbeauftragter normalerweise keinen Kontakt zum Präsidium. Präsidenten- und Spielerbesuche werden überwiegend bei den Fanklubs auf dem Land nachgefragt und das fiel ins Ressort meiner Kollegin Jutta Schnell. Die Fans aus München und Umgebung, die ich betreut habe, hatten daran wenig Interesse.

Deine Kollegin Jutta Schnell ist weiter im Amt?

Ja. Das kann man aber schlecht vergleichen. Meine Kollegin ist mehr eine Art Servicedienstleister für Fans aus dem ländlichen Raum, die organisierte Busreisen zu Spielen unternehmen. Das ist auch wichtig. Ich war überwiegend für die jüngere Stadtszene zuständig – das wurde anfangs intern »unorganisierte Fans« genannt, was aber ein Schmarrn ist, denn die sind auch organisiert, aber halt anders als auf dem Land. Sie haben auch andere Bedürfnisse und Wünsche, die sie an einen Fanbeauftragten richten. Ultra-Gruppierungen sind kein Fanklub.

Wie muss man sich deine berufliche Rolle beim TSV 1860 vorstellen?

Ich war Ansprechpartner für Löwen-Fans im Stadion, auf Auswärtsfahrten und bei verschiedenen Veranstaltungen der Fanszene und des Vereins – ein Bindeglied, das Stimmungen, Befindlichkeiten und Erwartungen aufnimmt und die zuständigen Personen oder Gremien für Fanbelange sensibilisiert. Ein Vermittler, der umgekehrt aber auch den Fans das Handeln des Klubs, dessen Interessen oftmals anders gelagert sind, verständlich macht. Das ist keine Sozialarbeit. Da geht es mehr um Kommunikation. Auch mit den Sicherheitsorganen. An- und Abreise, was ist den Fans erlaubt, was nicht, der Gang zum Stadion – das will alles verabredet sein, damit es möglichst wenig Konfliktpotential gibt. Oft war ich auch Blitzableiter für alle möglichen Beteiligten – das war nicht immer schön.

Blickst du im Groll zurück?

Ich sehe es mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Acht Jahre lang hatte ich einen Job, den es so nur ein paar hundert Mal in Deutschland gibt. Als Fanbeauftragter kann man es nie allen recht machen. Das bringt der Beruf einfach mit sich. Daraus ergibt sich automatisch eine gewisse Außenseiterrolle. Gleichzeitig hat mir der abwechslungsreiche Job eine Vielzahl unvergesslicher Erlebnisse mit den Löwen bereitet. Mir hat in der Vergangenheit insgesamt beim TSV 1860 etwas das Verständnis dafür gefehlt, was Fanarbeit bedeutet und damit meine ich jetzt nicht die aktuelle Geschäftsführung, die sich gerade um ein neues Konzept bemüht. Ich kenne bundesweit viele Kollegen, die mit ähnlichen Problemen kämpfen. Ein Fanbeauftragter ist kein Hilfspolizist oder Informant. Wem dieser Verdacht anhaftet, der kriegt bei den Fans keinen Fuß mehr auf den Boden. Da kannst du jedes Gespräch von vornherein vergessen. Nicht jeder meiner Vorgesetzten hat das in der Vergangenheit verstanden. Aber auch einige Fans attackierten mich verbal, wenn Pyrotechnik im Stadion gezündet wurde – als wäre das meine Schuld. Da existierten teils praxisferne sicherheitspolitische Erwartungen der Sorte »in XY wurde in der Kurve gezündelt, warum hast du nichts getan?« – Himmelherrgott, wie denn? Es gibt keinen Fanbeauftragten in Deutschland, der persönlich das Abbrennen von Pyrotechnik verhindern könnte. Ich war oft wahnsinnig wütend, wenn im Stadion sinnlos gezündelt wurde und habe unzählige Gespräche deshalb geführt. Einigen jüngeren Fans ist das leider heutzutage vollkommen egal, wenn ihr Lieblingsverein wegen ihres Fehlverhaltens eine hohe Geldstrafe bezahlen muss.

Warum wird eigentlich soviel in der Kurve gezündelt?

Das ist doch klar. Weil die Zündlerei den Reiz des Verbotenen hat. Das ist für die meist jüngeren Fans, die so etwas machen, ein Abenteuer in einer durch Regeln und Gesetze bis ins kleinste Detail geregelten Gesellschaft. Durch das Internet ist es heutzutage viel leichter, pyrotechnische Gegenstände zu kaufen. Diejenigen, die Pyrotechnik verteidigen, nennen es ein »Stilmittel der Fankultur«. Wäre der Mist nicht verboten, dann wäre er wahrscheinlich nur halb so interessant. Ich will aber das Fantum in der Kurve nicht auf Pyro reduzieren. Die Medien zeichnen da auch oft ein falsches Bild, wenn sie Randale und Pyrotechnik gleichsetzen. Die aktiven Fans sind das Kapital jedes Klubs, ohne ihre Inszenierungen am Spieltag könnte der Fußball nicht die Atmosphäre hervorbringen, die ihn für viele so anziehend macht. Gleichzeitig habe ich immer verstanden, warum die DFL und die Klubs das unkontrollierte Abbrennen von Pyrotechnik beim besten Willen nicht hinnehmen können. Es ist zu gefährlich und es gibt immer wieder Verletzungen.

Was wirst du nach deinem Ausscheiden besonders vermissen?

Alles und nichts (lacht). Im bleibe den Löwen ja erhalten. Als ganz normaler Fan – das bin ich seit Ende der 70er Jahre, daran ändert sich nichts. Außerdem werde ich weiter mein Löwenbomber-Archiv betreiben und die eine oder andere Kolumne schreiben. Und wer weiß, sollte der TSV 1860 München eines Tages ein eigenes Museum haben, vielleicht finden wir dann auch wieder zueinander.

Ist schon klar, was du künftig beruflich machen willst?

Ich kenne mich mit sozialen Medien gut aus, bin im Fußball zu Hause, bundesweit gut vernetzt, kann schreiben, habe in der Vergangenheit journalistisch, sowie als Stadionsprecher, Event Manager und zuletzt eben als Fanbeauftragter gearbeitet – ich hoffe, dass ich in dem Kontext was Passendes finde. Ich könnte mich aber auch mit einem Job anfreunden, bei dem man weniger in der Öffentlichkeit steht.

Interview: Alfons Seeler

Artikel vom 25.11.2014
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