Der kleine Killer

Bund Naturschutz: Asiatischer Laubholzbockkäfer bedroht Englischen Garten

Bis zu vier Zentimeter wird der Käfer lang – gemessen ohne Fühler! Die Larven bedrohen einzelne Bäume in ihrem Bestand.	Foto: LfL

Bis zu vier Zentimeter wird der Käfer lang – gemessen ohne Fühler! Die Larven bedrohen einzelne Bäume in ihrem Bestand. Foto: LfL

München/Schwabing · Wenn sich der asiatische Laubholzbockkäfer, ein durchaus ästhetisches Insekt, am Chinesischen Turm niederlässt, dann klingt das im Grunde passend, ja idyllisch. Mit der Idylle ist es aber schnell vorbei, denn der Käfer ist ein kleiner Killer.

Der Asiatische Laubholzbockkäfer

  • Der Asiatische Laubholzbockkäfer
    Themenseite zum meldepflichtigen, im Münchner Umland aufgetauchten, asiatischen Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis, abgekürzt: ALB)

Die Larven fressen sich durch heimische Bäume, unterbrechen die Leitungsbahnen im Holz und können auf diese Weise sogar das Absterben eines Baumes verursachen. Fingerdick sind die Fraßgänge des »ALB«. Viele Käfer, viele Bäume: Die Kreisgruppe München des Bund Naturschutz (BN) sieht den Baumbestand in München, also auch im Englischen Garten, latent gefährdet, weil die Einfuhr des Käfers nicht ausreichend bekämpft werde. Wo der ALB auftritt, in Feldkirchen und Neubiberg sowie zuletzt in Augsburg ist das bereits der Fall gewesen, wird die erfolglose Einfuhrkontrolle korrigiert, und zwar auf sehr drastische Weise. Im Umkreis von 100 Metern um die Fundstelle eines ALB werden die Bäume gefällt. Das ist dann alles andere als idyllisch.

Für einzelne Bäume an Straßen und in Gärten ist die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) zuständig. Sie lässt nach aktuellem Stand betroffene Weiden, Ahorn, Kastanien, Pappeln und Birken fällen, in Neubiberg zusätzlich Eschen, Hainbuchen und Vogelbeeren.

In Waldgebieten bekämpft das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) den Schädling auf die gleiche Weise, allerdings noch rigoroser: Gefällt werden hier alle Laubbäume außer Eiche und Walnuss. Das Problem: Der Englische Garten unterliegt als waldartiger Park dieser Regelung. Tritt dort der ALB auf, müsste punktuell der Kahlschlag eingesetzt werden. »Wir wollen natürlich nicht, dass das passiert«, erklärt Martin Hänsel, stellvertretender Geschäftsführer des BN München. Deswegen fordert der BN von der Politik Regelungen für eine deutlich verstärkte Einfuhrkontrolle, um die »permanente Neueinschleppung« zu unterbinden. Der Käfer kommt nämlich nicht auf natürlichem Wege nach Europa. Vielmehr transportiert ihn der Mensch selbst hierher.

Zuhause ist der Käfer unter anderem in China. Dort kaufen Europäer billigen Naturstein ein. Händler setzen den preiswerten Baustoff hierzulande leichter ab als teures Material aus dem Inland. Im großen Stil kaufen auch Kommunen für ihre öffentlichen Bauprojekte den Rohstoff aus Asien ein. Importiert wird der Stein auf Paletten. Die Larven des Käfers überdauern den Transport in den massiven Abstandsklötzen der Paletten und gelangen in ihrer neuen Heimat leicht ins Freie.

Hänsel beschreibt den Käfer als »flugfaul«. Das bedeutet, befallene Stellen treten in der Nähe der Standorte dieser Paletten auf, in der Regel besiedeltes Gebiet. Und weil der heimtückische Zeit- genosse nicht besonders schnell vorwärtskommt, reicht die Abholzung im 100-Meter-Radius dann auch aus. So weit will es der BN nicht erst kommen lassen. Das bedeutet: »Die Einfuhr von befallenem Verpackungsmaterial ist schnellstmöglich durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden. Die bisherige Praxis ist unzureichend«, kritisiert die Geschäftsführung der Münchner Kreisgruppe des BN. Diese bisherige Praxis sieht vor, dass alle Paletten noch im Exportland »dekontaminiert« werden, beispielsweise durch Erhitzen oder durch Gas. Nach erfolgter Behandlung erhält die Palette einen Stempel und darf in Europa eingeführt werden.

Nach Angaben des BN zeigten jedoch Untersuchungen aus Österreich, dass acht Prozent solcher derartig behandelten Paletten dennoch befallen waren. »Der Stempel gibt keine letztendliche Sicherheit«, betont Hänsel. Ein Einfuhrstopp aber schon. »Eine absolute Sicherheit wird es bei der Einfuhr nie geben können«, wendet Sabine Weindl ein. Die LfL-Sprecherin erklärt jedoch, dass eine Intensivierung der Kontrollen durch den Einsatz von mehr Personal beabsichtigt sei. Auch hier ist man anscheinend der Meinung, dass die Standards der Palettenbehandlung, die 2004 entwickelt und 2006 auch von China ratifiziert worden seien, keinen ausreichenden Schutz bieten. Nach Angaben der Sprecherin erfolgt eine Ausweitung der Einfuhrkontrollen mit fünf zusätzlichen Arbeitskräften. Aber: »Auch vor dem Hintergrund, dass eine hundertprozentige Kontrollquote keine hundertprozentige Sicherheit bringen kann, ist eine Erhöhung der einzelnen Kontrollquoten über die im Durchführungsbeschluss festgelegten Quoten hinaus eine Verbesserung des Sicherheitsstandards in Bayern.« Eine Effizienzsteigerung der Einfuhrkontrollen soll zudem durch den Einsatz von Spürhunden erreicht werden.

Ein weiteres Problem, das der BN sieht: Über die bereits erfolgte Verbreitung des Laubholzbockkäfers in Deutschland gibt es keine zuverlässigen Angaben. Der Schädling wird überall da bekämpft, wo er auftritt. Präventiv kann man derzeit nicht dagegen vorgehen, schon gar nicht flächendeckend. Ein Einsatz von Giften (Neonicotinoide) sei ausgeschlossen, weil in Deutschland verboten. Das Horrorszenario des standortabhängigen Kahlschlags im Englischen Garten hält Hänsel derzeit durchaus für realistisch. Der Schädlingsbefall werde derzeit nur in Fachkreisen thematisiert. In Politik und Bevölkerung sei das Problem so gut wie gar nicht angekommen.

In Österreich sei der ALB nachhaltig bekämpft worden, allerdings eben durch Fällungen im 100-Meter-Radius und anschließendes Aufforstungsmanagement, das durch vermehrte Stichproben engmaschig kontrolliert wurde. Ein großer Aufwand, den man sich durch einen Einfuhrstopp ersparen könnte, findet der BN.

Letztlich lässt sich über die akute Gefährdung der Bäume in München mangels konkreter Daten keine zuverlässige Aussage treffen. Aber genau darin liegt die Gefahr – auch für den Englischen Garten. Carsten Clever-Rott

Artikel vom 19.11.2014
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