Für andere da sein

München · Gespräch zur täglichen Arbeit mit Flüchtlingen in München

Pfarrer Andreas Herden setzt sich für Flüchtlinge ein. Schreiben Sie uns Ihre Meinung zum Thema »Flüchtlinge in München« an redaktion@wochenanzeiger.de	F: Innere Mission

Pfarrer Andreas Herden setzt sich für Flüchtlinge ein. Schreiben Sie uns Ihre Meinung zum Thema »Flüchtlinge in München« an redaktion@wochenanzeiger.de F: Innere Mission

München · Es scheint eine »unendliche« Geschichte zu sein: Die Lage in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in der Bayernkaserne nimmt täglich neue Wendungen: Offene Briefe an den Ministerpräsidenten, eiligst einberufene Krisenstäbe und öffentliche Erklärungen von Politikern aus allen Richtungen.

Neben allen öffentlichen Bemühungen sind es aber vor allem viele Tausende Münchner, die sich für Flüchtlinge ehrenamtlich in gemeinnützigen Organisationen einsetzen, damit München den Namen »Weltstadt mit Herz« weiterhin mit Recht tragen darf. Das Samstagsblatt der Münchner Wochenanzeiger berichtete schon vor Monaten auf der Titelseite über die Lage in der Bayernkaserne und traf sich nun zum Gespräch mit Pfarrer Andreas Herden, dem Abteilungsleiter der Inneren Mission München.

Münchner Samstagsblatt: Herr Herden, viele öffentliche Stellen sind von der momentanen Situation überrascht. Haben Sie persönlich die Probleme schon früher gesehen und angemahnt?

Andreas Herden: Ab 2012, nach dem Umzug der Erstaufnahme Einrichtung AE München zunächst in Haus 45 in der Bayern Kaserne war ersichtlich, dass hier ein Provisorium entsteht, das chronisch überbelegt und nur wenige Jahre Bestand haben wird. Seither fordere ich dauerhafte Lösungen für die Erstaufnahme in München/Oberbayern und die Eröffnung weiterer Erstaufnahme-Einrichtungen in eigenen Immobilien des Freistaats Bayern.

An was fehlt es den Flüchtlingen am meisten?

Herden: Schutz und (Rechts-) Sicherheit ist das Grundbedürfnis von Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen, um bei uns Asyl zu beantragen. Genauso wichtig sind Grundbedürfnisse wie Kleidung, Nahrung, Wohnung, soziale Begleitung sowie medizinische Versorgung.

Wie versuchen Sie den Flüchtlingen zu helfen? Wie kann man Sie unterstützen?

Herden: Die Innere Mission München kümmert sich im Rahmen der Asylsozialberatung in der AE München vor allem um die sozialen Belange von Flüchtlingen, dabei haben wir auch alle weiteren Bedürfnisse der Menschen im Blick. Unterstützen kann man unsere Arbeit durch Geld-, Sach- und Zeitspenden.

Auf was sollte bei Sachspenden geachtet werden?

Herden: Wir erleben zurzeit eine enorme Hilfsbereitschaft der Münchner Bevölkerung. Unsere Lager und Kleiderkammern sind voll. Wir bitten alle, die Flüchtlinge mit Sach- und vor allem Kleiderspenden unterstützen wollen, 14 Tage zu warten, bis wir wieder Kapazitäten frei haben.

Was erschwert Ihre tägliche Arbeit? Wie gehen Sie mit Verständigungsproblemen um?

Herden: Bei einfachen Fragen behelfen wir uns mit Händen und Füßen. Flüchtlinge, die ein wenig Englisch oder Deutsch sprechen, helfen ihren Landsleuten. Bei schwierigeren Fragestellungen, zum Beispiel bei gesundheitlichen Problemen, sind wir auf die Unterstützung durch Dolmetscher angewiesen, die wir beim transkulturellen Zentrum München anfordern – die Kosten für die Dolmetscher-Honorare tragen wir aus Eigen- und Spendenmitteln.

Ist die Arbeit mit den Flüchtlingen psychisch belastend?

Herden: Ja. Unsere Mitarbeiter sind hoch motiviert. Mit dem Willen zu helfen, kommen wir schnell an Grenzen, die das Asylrecht und die Rahmenbedingungen der Erstaufnahme setzen. Das Leiden der Flüchtlinge, vor und auf ihrer Flucht können wir nicht bearbeiten.

Gab es für Ihre Arbeit schon einmal Anfeindungen?

Herden: Derzeit genießen wir für unsere Arbeit Respekt und Anerkennung. Bürgerinnen und Bürger akzeptieren Flüchtlings-Unterkünfte in ihrer Nachbarschaft besser, wenn sie wissen, dass dort Asylsozialberatung angeboten wird.

Sollte über das Thema Asyl und Migration offener und ehrlicher diskutiert werden?

Herden: Ja. Wir brauchen eine öffentliche Diskussion. Herausforderungen müssen offen und ehrlich benannt werden, damit Ängsten und Vorbehalten in der Bevölkerung gut begegnet werden kann. Umgekehrt müssen die Verantwortlichen in der Politik in der öffentlichen Auseinandersetzung wahrnehmen, dass es der Wunsch des überwiegenden Teils der Bevölkerung ist, Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen.

Möchten Sie ein Erlebnis in Ihrer Arbeit mit Flüchtlingen schildern, die besonders schön war und Mut macht?

Herden: Wir haben im letzten Jahr ein Bildungsprojekt mit der Stadtwerke Bildungs-Stiftung feierlich abgeschlossen. Der Geschäftsführer bot einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling, der in diesem Projekt Deutsch gelernt hatte, einen Ausbildungsplatz bei den Stadtwerken an. Der junge Mann freute sich sehr, lehnte freundlich ab und erklärte auf die verwunderte Nachfrage: »Ich will Medizin studieren und Arzt werden.«

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das in Bezug auf Ihre Arbeit?

Herden: Ich wünsche mir, dass in den Einrichtungen, die wir betreuen, niemals ein Mensch ums Leben kommt, weder durch Suizid noch durch Gewalt anderer.

Das Samstagsblatt bedankt sich herzlich für das Gespräch und wünscht viel Gelingen bei Ihrer Arbeit! Marcus Ullrich

Pfarrer Andreas Herden setzt sich für Flüchtlinge ein. Schreiben Sie uns Ihre Meinung zum Thema »Flüchtlinge in München« an redaktion@wochenanzeiger.de

Hier können Sie helfen:

Alveni: Der Flüchtlingsdienst der Caritas berät unterstützt Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften. www.caritas-nah-am-naechsten.de/Migration/Alveni-Fluechtlingsdienste/

Innere Mission (IM) München: ehrenamt-asyl@im-muenchen.de

Münchner Flüchtlingsrat: Der Flüchtlingsrat vermittelt Ehrenamtliche an Helfergruppen weiter. info@muenchner-fluechtlingsrat.de Tel.: 0 89/12 39 00 96

Refugio: Die Organisation betreut traumatisierte Flüchtlinge und organisiert Ausflüge. www.refugio-muenchen.de

Artikel vom 01.11.2014
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