Bayerische Trachtenvereine pflegen das Brauchtum

München · Tracht und Tradition

Generationsübergreifendes Brauchtum: Die Chiemgauer Trachtenvereinsmitglieder beim Schuhplatteln, der eigentlich ein Balztanz ist. 	Foto: GTEV Chiemgauer

Generationsübergreifendes Brauchtum: Die Chiemgauer Trachtenvereinsmitglieder beim Schuhplatteln, der eigentlich ein Balztanz ist. Foto: GTEV Chiemgauer

München · Ein nassgeschwitztes Hemd ist garantiert. Zumindest bei denen, die noch wenig Übung haben. »Es mag leicht ausschauen, aber man kommt schnell an seine körperlichen Grenzen«, weiß Jens Wörner aus eigener Erfahrung. Vor zwei Jahren hat der gebürtige Schwabe das Schuhplatteln einfach mal ausprobiert – und ist dabei geblieben. Inzwischen ist er auch Mitglied beim Trachtenverein GTEV »Chiemgauer München«. Dort also, wo seine Leidenschaft fürs Platteln seinen Anfang nahm. Und er steht damit nicht allein.

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Seit dem Jahr 2011 bieten die »Chiemgauer München« für alle interessierten Buam und Mannsbilder zwischen sechs und 66 Jahren regelmäßig ihre gefragten Schuhplattler-Kurse an und haben bei vielen Teilnehmern bleibende Begeisterung geweckt. Und zwar nicht nur bei den Hiesigen. »Die Nachfragen kamen unter anderem auch von Rheinländern«, berichtet Vorstandsmitglied Florian Hähle. »Sogar ein Australier war einmal dabei, der seine Familie mit seinem neuen Hobby überraschen wollte.« Wer an einem Montagabend im Festsaal des Harlachinger Wirtshauses »Gartenstadt« vorbei schaut, der trifft dort auf die Plattler des »Chiemgauer München«. Um 19 Uhr geht es los, Akkordeonmusik wird live aufgespielt, Männer in Tracht stampfen, klopfen, schlagen: Mit der linken Hand auf den linken Oberschenkel, mit der rechten Hand auf den rechten Oberschenkel.

Dann heben sie das linke Bein und klatschen mit der rechten Hand von hinten auf die Schuhsohle. Das geht so schnell, dass man den Bewegungen mit den Augen kaum noch folgen kann. Mögen für den Laien die Schuhplattlertänze vielleicht auf den ersten Blick gleich ausschauen, so sollte man sich nicht täuschen lassen: Rund 150 unterschiedliche Tänze sind bekannt, je nach Region haben sie mal einen eher strengeren, mal einen eher gemütlicheren Charakter. »Bei allen aber geht es unter anderem um Koordination und Geschicklichkeit, gleichzeitig muss man auf die Haltung aufpassen und die Spannung halten«, erläutert Hähle. Doch auch der Spaß gehört dazu. Was nicht zuletzt an den lauten Juchzern zu hören ist, die durch den Saal schallen. »Platteln, das ist bayerische Lebensfreude«, so Hähle.

Dass heute wie damals geplattelt wird, ist so selbstverständlich nicht. Insbesondere die zum Ende des 19. Jahrhunderts hin allerorten gegründeten Trachtenvereine waren es, die sich darum kümmerten, diesen bayerischen Traditionstanz – und ehemaligen Balztanz – am Leben zu erhalten. Wobei es freilich noch jede Menge andere »Baustellen« gab, die gehegt und gepflegt werden mussten. »Ohne Trachtenvereine wären wir in Bayern nicht da, wo wir jetzt sind«, ist sich Hans Menzinger, Sprecher des Bayerischen Trachtenverbandes sicher. »Dass in Bayern die Trachtenkultur so in Blüte steht und in anderen Bundesländern nicht, hat vor allem damit zu tun, dass die Trachtenverbände besonders sorgsame Trachtenpflege betreiben«, befindet auch Michael Ritter vom Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e.V.

Gut 850 Trachtenvereine gibt es bayernweit, der Bayerische Trachtenverband hat 265.000 Mitglieder, davon 100.000 Kinder und Jugendliche. »Einige Gebiete, gerade in Oberbayern, haben einen enormen Zulauf«, berichtet Menzinger. In einer Großstadt wie München sehe das zwar anders aus, um Mitglieder müsse man mitunter schwer kämpfen, doch habe sich gezeigt: »Die, die sich bemühen, haben Nachwuchs.« Das bestätigt auch Florian Hähle: »Man muss dranbleiben, man muss was bieten können, was das Interesse weckt.« Und erzählt nicht ohne Stolz: »Zum ersten Mal haben wir nun einen Plattlerkurs für Kinder vollgekriegt, in dem kein einziges Kind aus einer Familie aus dem eigenen Trachtenverein kommt. Womit die These widerlegt ist, dass der Nachwuchs nur aus den eigenen Reihen kommt.«

Es rührt sich also was. Auch anderswo ist die bayerische Tradition hoch im Kurs: Das »Bayerische Singen« im Theater-Café der Gaststätte „Fraunhofer“ hat sich inzwischen so etabliert, dass regelmäßig 30 bis 40 Leute zusammensitzen zum gemeinsamen ein- und mehrstimmigen Singen von bairischem und alpenländischem Liedgut. »Gemeinschaftliches Singen hat eine lange Tradition hier in München, und daran knüpfen wir an«, sagen die Veranstalter Josef Zapf und Simone Lautenschlager. Jeder dürfe sich dabei willkommen fühlen und des einfach mal ausprobieren. Die Treffen finden jeden dritten Sonntag im Monat von 19 bis 21 Uhr statt, das nächste Mal am 19. Oktober. »Es soll Spaß machen, das ist die Hauptsache«, so Zapf. Kurz und gut: Die bayerische Lebensfreude, sie ist nicht totzukriegen. Die nächsten Schuhplattlerkurse des GTEV »Chiemgauer München« starten wieder ab März 2015 in der Gaststätte Gartenstadt an der Naupliastraße 2, außerdem finden jeden Montag ab 19 Uhr Plattlerproben statt, Zuschauer sind willkommen, weitere Informationen gibt es im Internet unter www.chiemgauermuenchen.de. Auch der Trachtenverein Almrausch-Stamm bietet in der Pfarrei Sankt Michael in Perlach Plattlerkurse an.

Wer Schuhplatteln lernen möchte, meldet sich unter der Telefonnummer 0 89/80 99 27 51 und kommt zu einer Plattlerprobe vorbei. Nächste Möglichkeit am Dienstag, 23. September. Weitere Informationen unter www.almrausch-stamm.com
Bayerisches Singen: Weitere Informationen unter Theater im Fraunhofer an der Fraunhoferstraße 9, unter Telefon 0 89/26 78 50 und unter der folgenden Internetadresse: www.fraunhofertheater.de.

Von Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 11.09.2014
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