Warm und sauber

Energie für die Zukunft: München setzt auf Geothermie

Ein Vibrationsfahrzeug auf der Suche nach Erdwärme: In den Plänen der Stadtwerke München spielt Geothermie eine wichtige Rolle. Vorreiter in der Region waren die Kraftwerke in Unterhaching und Riem.	Foto: hw

Ein Vibrationsfahrzeug auf der Suche nach Erdwärme: In den Plänen der Stadtwerke München spielt Geothermie eine wichtige Rolle. Vorreiter in der Region waren die Kraftwerke in Unterhaching und Riem. Foto: hw

München · »Unser Planet kennt keine Energiekrise«, heißt es auf der Homepage des Bundesverbandes Geothermie. Und tatsächlich: Wärme aus dem Inneren der Erde ist quasi unendlich und zu jeder Zeit verfügbar, unabhängig von Wetter und Jahreszeit. Umweltfreundliches Heizen, sauberer Strom – Geothermie macht es möglich.

Energie für die Zukunft

Die Stadtwerke München (SWM) haben große Pläne: Bis 2025 wollen die SWM so viel Ökostrom in eigenen Anlagen erzeugen, wie ganz München verbraucht. München will als erste Millionen- stadt der Welt dieses Ziel erreichen. Bei dem Vorhaben spielt Geothermie eine gewichtige Rolle: Schließlich sind rund um die bayerische Landeshauptstadt die Voraussetzungen für eine energetische Nutzung der Erdwärme so gut wie sonst fast nirgends in Deutschland. In einer Tiefe von 2.000 bis 3.000 Metern befindet sich heißes Wasser, mit Temperaturen von 80 Grad Celsius im Münchner Norden bis über 140 Grad Celsius im südlichen Umland.

Im Bereich ihres Fernwärmenetzes sehen die Stadtwerke München ein Potenzial von insgesamt bis zu 16 Anlagen.

Das Heizwerk in Riem galt lange als geothermisches Vorzeigeprojekt der SWM. Mitte 2004 eröffnet, ist es nun bereits zehn Jahre in Betrieb und versorgt die Messestadt Riem sowie die Neue Messe München mit Wärme. Dafür wurden einst zwei Bohrungen in eine Tiefe von 3.000 Metern vorgenommen. Das dort unten lagernde Wasser, das 94 Grad Celsius heiß ist, wird mittels einer Pumpe durch die erste Bohrung nach oben gefördert, gibt seine Wärme ab und wird durch die zweite Bohrung wieder zurückgeführt. Noch tiefer, noch heißer, lautet die Devise in Sauerlach. Hier, im Süden des Landkreises München, fördern die Pumpen über 140 Grad heißes Thermalwasser aus etwa 4.200 Metern Tiefe zutage. Dank der besonders hohen Temperatur kann sogar zusätzlich elektrischer Strom erzeugt werden.

Das Heizkraftwerk, das Ende Januar 2014 in Betrieb genommen wurde, versorgt die Gemeinde Sauerlach mit Fernwärme und produziert für 16.000 Haushalte umweltfreundlichen, weil sauberen Strom. Die jährliche Stromerzeugung beläuft sich auf circa 40 Millionen Kilowattstunden, nach Angaben der SWM werden so pro Jahr 35.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) eingespart. Bei der Eröffnung im Januar lobte der damalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude die Anlage in Sauerlach als »ein Symbol für die Verbundenheit von Stadt und Region«. Zwei Kommunen würden hier Hand in Hand für den Klima- und Umweltschutz arbeiten.

Demnächst wollen die Stadtwerke ihr drittes Projekt realisieren – im Münchner Westen, wo mit Freiham ein neuer Stadtteil entstanden ist. In das bereits bestehende Heizwerk an der Bodenseestraße soll künftig auch die Geothermie integriert werden. Das Heizwerk wird dann die Grundlast des Wärmebedarfs für Freiham und benachbarter Stadtteile, wie Neuaubing, liefern. Derzeit laufen noch letzte Untersuchungen, 2015 sollen die Bauarbeiten in Freiham beginnen.

Eine weitere Anlage ist für den Münchner Südosten geplant, wo die SWM das Aufsuchungsfeld Neuperlach besitzen, um dort nach Geothermie zu suchen. Das Feld erstreckt sich über den Stadtbezirk 16 (Ramersdorf-Perlach) und angrenzende Stadtteile. In Neuperlach könnte eine ähnliche Anlage wie in Riem entstehen, um den nach Einwohnern größten Münchner Bezirk mit Wärme aus dem Erdinneren zu versorgen. Mehrere weitere Standorte in München sind laut den SWM grundsätzlich geeignet, müssten aber noch auf diverse Parameter untersucht werden.

Die rechtlichen Voraussetzungen für eine positive Zukunft von Geothermie in Deutschland hat kürzlich die Bundesregierung geschaffen. In der diesjährigen Novelle des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes (EEG) werden der Geothermie verlängerte Übergangsfristen für Ausschreibungen zugestanden. Dies ist wichtig, da das Planen und Bauen von Anlagen vergleichsweise lang dauert – unter anderem, weil das Erdreich zuvor gründlich untersucht werden muss.

»Die neue Regelung schafft Investionssicherheit für aktuelle Projekte und Vorhaben, die in den nächsten zwei Jahren gestartet werden«, sagt Erwin Knapek, Präsident des Bundesverbandes Geothermie. Der promovierte Physiker Knapek setzte sich einst als Unterhachinger Bürgermeister für Geothermie ein. Vor gut zehn Jahren ist das Projekt gestartet, seit 2007 schon beliefert das Kraftwerk die Haushalte in Unterhaching mit umweltfreundlicher Fernwärme.

Das Unterhachinger Projekt ist mehrfach ausgezeichnet worden und hat national wie international Vorbildcharakter.

Andere Gemeinden im Landkreis München haben nachgezogen, zum Beispiel Unterschleißheim, Unterföhring oder – in interkommunaler Zusammenarbeit – Aschheim, Feldkirchen und Kirchheim. Sie alle nutzen einen weiteren Vorteil von Geothermie: Energie kann vor Ort produziert werden, überregionale Trassen sind nicht notwendig. Von der Wärme unter München können also alle Münchner profitieren. Benjamin Schuldt

Was Sie schon immer über Geothermie wissen wollten

München · Verursacht das Fördern von Erdwärme Lärm oder Schadstoffe? Und wie teuer ist Heizwärme aus der Tiefe? Dr. Markus O. Häring, Geschäftsführer Geo Explorers Ltd, beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Geothermie.

Wie viel Erdwärme gibt es in Deutschland?

Der mit heutigen technischen Mitteln erschließbare Untergrund bringt eine Energiereserve, welche den gesamten Energiebedarf auf Hunderte von Jahren nachhaltig sicherstellen kann. Die Beschränkung liegt nicht bei der vorhandenen Erdwärmemenge, sondern bei der Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Erschließungstechniken.

Braucht eine Erdwärmeanlage viel Platz?

Der größte Teil der Anlage befindet sich unsichtbar unter der Erde. Meist zeugt nur ein Schachtdeckel von der Anwesenheit einer Tiefbohrung. Die Größe der oberirdischen Apparaturen ist mit konventionellen thermischen Heizkraftwerken vergleichbar. Geothermische Anlagen sind kompakt, der Flächenverbrauch ist deutlich geringer als für andere erneuerbare Energien.

Entstehen bei der Nutzung Schadstoffe?

Da keine Verbrennung stattfindet, werden keine Abgase freigesetzt. Die Wärmegewinnung ist ein physikalischer und kein chemischer Prozess. Beim Wärmeentzug aus Thermalwasser und bei der Petrothermalen Geothermie (Anm. d. Red.: die Nutzung von Wärme aus sehr tiefen Schichten, die kaum oder nur wenig Wasser führen) können sich natürliche Stoffe im Fels und Grundwasser lösen und an die Oberfläche gelangen. Da jedoch ausschließlich mit geschlossenen Kreisläufen gearbeitet wird, gelangen diese Stoffe weitgehend wieder in den Untergrund zurück. Gelegentlich werden Ausfällungen in dazu vorgesehenen Filtern anfallen, die jedoch nicht belastender als irgendwelche Gesteinserosionsprodukte sind.

Macht die Förderung von Geothermie Lärm?

Nicht mehr als jedes andere Heizsystem. Da in keinem der Systeme Dampf produziert und abgelassen wird, sind beim Betrieb keine übermäßigen Lärmemissionen zu befürchten.

Ist Erdwärme teurer als Heizöl?

Die Erschließung von Erdwärme verursacht höhere Investitionskosten als eine konventionelle Heizung. Die Betriebskosten sind jedoch niedriger, da die Beschaffung von Brennstoffen wegfällt. Trotz tiefer Erdöl- und Erdgaspreise können Erdwärmesonden-Anlagen wirtschaftlich bereits konkurrieren. Müssten bei den konventionellen Heizsystemen die externen Kosten (CO2, NOx) mitberücksichtigt werden, wären Erdwärmesonden-Anlagen heute schon günstiger. Bei den Investitionskosten sind mit der Entwicklung weiterhin starke Kostensenkungen zu erwarten. Insbesondere in der Tiefbohrtechnik sind massive Produktionssteigerungen, das heißt: Kostensenkungen, zu erwarten.

Welche Bedeutung hat Erdwärme weltweit?

Solange die fossilen Brennstoffe noch billig sind, wird die Entwicklung der Erdwärmenutzung auf einem beschränkten Niveau fortschreiten. Sämtliche Prognosen, auch aus der Erdölindustrie selbst, deuten aber auf scharfe Preiszunahmen in Zukunft hin. Dies tritt ein, wenn die noch zunehmende Förderung von Erdöl abzuflachen beginnt, der globale Energiebedarf aber weiterhin steigt. Die Entwicklung der Petrothermalen Technologie wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Um sie als erneuerbare Energie zur Ablösung fossiler Ressourcen rechtzeitig zur Marktreife zu bringen, muss die Entwicklung forciert werden.

Quelle: GtV Bundesverband Geothermie

Artikel vom 06.08.2014
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