Albrecht Ackerland im Münchner Samstagsblatt

Da schau her! Zum Thema das Wir-Gefühl im Bad

München · Neulich hat sich mein Wir-Gefühl ganz neu gestärkt. Das liegt nicht daran, dass Deutschlands Fußballer jetzt Weltmeister sind, vielleicht haben Sie’s ja mitbekommen. Allerdings hat mein Wir-Gefühl doch sehr zu tun mit dem Körper, noch direkter zu tun, als es der Fußball auch in der härtesten Gangart nicht schafft. Ich habe einen Schaden.

Jetzt meinen Sie vielleicht, das habe ich mir schon immer gedacht, dass der Verfasser dieser Zeilen nicht ganz dicht ist, ich nehme es als Kompliment. Ich kann Sie aber gleichzeitig beruhigen, falls Sie eine gespaltene Persönlichkeit in mir vereint vermuten. Danke für das Mitgefühl, aber mein Schaden ist nicht schizophrener Natur. Er findet außerhalb meines Körpers statt und ist doch direkt mit ihm verbunden. Nämlich die Pflege des selben droht zur Randsportart zu verkommen, mein Bad hat einen Wasserschaden: Punktkorrosion in den Leitungen unter der Badewanne. Und damit fängt mein Wir-Gefühl an.

Der Rohrbruch – noch unentdeckt – ließ mich mit den Nachbarn unter mir in Kontakt treten. Das heißt: Sie gingen mich an. Was ich denn so triebe in meinem Bad, der Fleck an ihrer Decke werde immer größer. Ich entschuldigte mich und gelobte gehobene Vorsicht bei meinen Waschaktivitäten in meinem Campo Badia. Ich fühlte, wie wir zusammenrückten, meine Nachbarn und ich, wir hatten nun etwas, das uns verband. Dann rief ich den Vermieter an.

Das Sommermärchen nahm seinen Lauf, Handwerker kamen, fluchten, schimpften über die miserable Leistung der früheren Handwerker, entdeckten Abflussrohre, die zu tief standen und zu offene Abwehr der Zuleitungen in Sachen Dichtigkeit. Die Spielzeit der Partie Wassertropfen gegen Altbauboden musste schon Monate gehen. Alles musste raus, Fliesen runter, Wanne weg. Seitdem geht mein Badezimmer in den wohlverdienten Trockenurlaub. Aus meinem kurzen Ärger darüber holte mich kein Geringerer als Thomas Müller, als er zu einer kolumbianischen Journalistin auf brettlbreitem Bairisch sagte: »Des interessiert mi ois ned, der Scheißdreck!«

Seitdem ziehe ich von Dusch­ort zu Duschort. Gut, wenn man Freunde hat – mit denen sich mein Wir-Gefühl nun ganz nachhaltig entwickeln kann, lerne ich doch meine Menschen um mich rum ganz neu kennen. Das Bad ist eine Intimzone, in die Fußballer zum Beispiel nur die Kanzlerin lassen. Mit diesem erhebenden Gefühl sehe ich nun immer neue Deko-Artikel aus dem Themenfeld »Strand und Meer«, begutachte Shampoo-Marken, rieche Weichspülerduft in Handtüchern oder spüre ihre dem Kalk geschuldete Härte. Und immer erlebe ich tiefe Gastfreundschaft. Danke, Wasserrohrbruch.

Artikel vom 17.07.2014
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