Das tägliche Übel

ANAD e.V. kämpft seit 30 Jahren gegen Essstörungen

Der tägliche Kampf ums Essen! Beeindruckende Live-Perfomance von Heidy de Blum anlässlich des 30-jährigen Jubiläums von ANAD e.V. im Bayerischen Landtag.	Foto: Erhart

Der tägliche Kampf ums Essen! Beeindruckende Live-Perfomance von Heidy de Blum anlässlich des 30-jährigen Jubiläums von ANAD e.V. im Bayerischen Landtag. Foto: Erhart

München · Eine Mutter am Grab ihres Kindes. Trauer, Angst und Verzweiflung. »Mein Kind ist tot!« Aus dem Off erklingt eine Stimme: »Erzählen Sie uns von ihren Kindern – bei den ersten Anzeichen.«

Leicht skeptisch blicken die Besucher des Bayerischen Landtags zur Bühne. ANAD e.V., eine Institution bei der Bewältigung von Essstörungen, hat zu einer Festveranstaltung zum 30-jährigen Jubiläum ins Maximilianeum eingeladen – und viele sind gekommen.

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Eine junge attraktive Frau, ganz in schwarz gekleidet, betritt die Bühne. Zierlich, fast schüchtern wirkt sie. Dann die Verwandlung. Die Frau schreit, zetert, ist verzweifelt: »Ich kotze und kotze. Ich lebe mit den Halsschmerzen nach dem Erbrechen. Joghurt, Deo, leises Übergeben.« Was die Künstlerin Heidy de Blum authentisch schockierend spielt, ist leider für viele Jugendliche traurige Realität. Ein selbstzerstörendes Verhältnis zum Essen. Der ständige Ekel vor einem selbst. Die Hornhaut an den Fingern, vom täglichen Kitzeln der Speiseröhre. Wenn Essen sich zum Katalysator für jedes erdenkliche Problem entwickelt. Der Wunsch nach dem Ende übermächtig wird. Dann ist Hilfe dringend notwendig. Hier setzt ANAD e.V. seit 30 Jahren an.

Im Jahre 1984 wurde ANAD (Anorexia Nervosa and Associated Disorders) als Selbsthilfeorganisation von der Münchner Psychologin Barbara Schindler gegründet. ANAD ist ein eingetragener Verein, der sich zu einer der wichtigsten Anlaufstellen beim Thema Essstörungen entwickelt hat. Heute bietet ANAD, unter der Leitung des Psychologen Andreas Schnebel, professionelle Hilfe in therapeutischen Wohngruppen und in der persönlichen sowie internetgestützen Beratung.

Zwei Podiumsdiskussionen zur aktuellen Versorgung bei Essstörungen und die Entwicklung von ANAD standen im Mittelpunkt der Veranstaltung. Einig war man sich in der Runde, dass die ambulante Versorgung der stationären Behandlung vorzuziehen sei. Eine differenzierte und gut vernetzte Struktur an Beratung und Therapie helfe psychisch kranken Menschen am besten. »Wir fördern und finanzieren die ambulante Hilfe. Sie fördert gesellschaftliche Teilhabe und stärkt die Familien«, betonte Bezirkstagspräsidentin Friederike Steinberger.

Das Thema betrifft viele Menschen. Nach der KIKK-Studie weist in Deutschland jedes fünfte Kind Symptome von Essstörungen auf. Essstörungen sind psychische Erkrankungen, die von einem gestörten Verhältnis zur Nahrungsaufnahme gekennzeichnet sind. Die Ursache sind seelische Konflikte. »Es ist unerlässlich, dass jungen Menschen künstliche Normen und Verhaltensmuster, wie sie zum Beispiel in Germany’s Next Topmodel präsentiert werden, hinterfragen und durchschauen lernen.

Es geht um Vielfalt und ein gesundes Selbstbewusstsein für die Jugendlichen«, erklärte Sigrid Borse, Leiterin des Frankfurter Zentrum Essstörungen. Von vielen Seiten wurde die Leistung von ANAD gelobt. »Zwanzig Jahre kenne und schätze ich das Engagement von ANAD, nicht nur als ehemalige Sozialministerin, sondern vor allem als Frau und Mutter«, schrieb Landtagspräsidentin Barbara Stamm in ihrem Grußwort anlässlich der Feier. Den emotionalen Höhepunkt bildete der Bericht einer ehemaligen Klientin. Mutig und offen, manchmal mit sich selbst ringend, erzählte sie von ihren Problemen und der Hilfe, die sie bei ANAD erfahren habe. »Die Krankheit bleibt ein Leben lang, stabil bleiben ist mein Ziel. Dafür möchte ich mich bei ANAD bedanken und anderen Mut zusprechen«, sagte sie unter dem wärmenden Applaus des Publikums. Von Marcus Ullrich

Artikel vom 01.05.2014
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