In Bayern werden dringend Flüchtlingsunterkünfte gesucht

Münchner Pfarreien bieten Flüchtlingen neue Heimat

Haben Flüchtlingen eine neue Heimat gegeben: Hans Rotter, Toni Kaiser und Pfarrer Georg Rieger (v.l.) von den Münchner Pfarrei St. Ulrich.	Foto: sy

Haben Flüchtlingen eine neue Heimat gegeben: Hans Rotter, Toni Kaiser und Pfarrer Georg Rieger (v.l.) von den Münchner Pfarrei St. Ulrich. Foto: sy

München · Für ihn gibt es kein Zurück. Ramadan Hasan ist vor fünf Jahren aus seiner Heimat Syrien nach Deutschland geflüchtet. »Egal wer an der Macht ist, unser Land ist nicht mehr zu retten«, sagt der 28-Jährige, der für die Zeitung nicht fotografiert werden möchte.

»Ich kann dort nicht mehr leben.« Nun, nach einer kräftezehrenden Flucht, nach dem Zurücklassenmüssen eines Großteils der Familie, ist München seine Heimat. Die Pfarrgemeinde Sankt Ulrich in Laim gibt ihm seit September 2013 ein neues Dach über dem Kopf. Hasan bewohnt einen 15-Quadratmeter-Raum im Pfarrheim, Toilette und Waschbecken darf er mitbenutzen, eine Küche wird demnächst eingerichtet. »Ich bin sehr glücklich«, freut er sich. »Alle sind freundlich zu mir. Und ich habe endlich meine Privatsphäre. Denn die hatte ich im Asylantenheim leider nicht.« Laut sei es da gewesen, zu viert in einem Zimmer, da sei es irgendwie nie ruhig, auch nachts nicht.

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Die Geschichte von Ramadan Hasan ist eine von vielen Flüchtlingsgeschichten. Es sind Geschichten von Verfolgung und Leiden, von Schmerz und Trennung, von Krieg und Hass. Aber sie erzählen auch von solchen, die diese Menschen nicht alleine lassen wollen in ihrer Not. Die Erzdiözese München und Freising hatte im Herbst 2013 alle Pfarreien darum gebeten, Flüchtlinge aufzunehmen. »In der Seelsorgeregion München werden derzeit Unterkünfte für rund 375 Flüchtlinge in kirchlichen Gebäuden oder auf kirchlichen Grundstücken angeboten«, berichtet Bettina Göbner, Pressesprecherin bei der Erzdiözese. »Weitere Unterbringungsmöglichkeiten werden noch ermittelt und geprüft.« Es kämen momentan laufend Angebote von Pfarreien. Zählt man außerdem die Privatleute dazu, die in ihrer Wohnung oder ihrem Haus ein Zimmer freigeräumt haben, um es einem Flüchtling anzubieten, kommt man aktuell auf insgesamt 450 Flüchtlinge, die münchenweit untergebracht sind. Nicht mitgerechnet diejenigen, die in Asylantenheimen Obdach gefunden haben.

Überlegen, ob ein Platz frei ist in seiner Pfarrei, musste Georg Rieger aus Sankt Ulrich nicht. »Es ist unsere Christenpflicht, da nicht untätig zu bleiben«, sagt der Pfarrer, der sich erhofft, dass auch andere dem Beispiel folgen werden. »Auch Privatleute sind gefragt. Es wäre eine schöne Sache, wenn der eine oder andere diesen Schritt machen würde.« Dass es dazu Zeit braucht, kann Rieger verstehen. »Fast jeder kennt die Angst vor fremden Menschen.« Sie ins eigene Haus zu holen, koste viele eine immense Überwindung. Zudem sei das Misstrauen groß. In seiner Pfarrei gäbe es zwar die eine oder andere Familie, die in Erwägung ziehe, einen Flüchtling bei sich aufzunehmen. »Aber noch sind die Zweifel größer.«

»Es ist noch ein langer Weg zu gehen, bis Flüchtlinge und Asylanten ihren schlechten Ruf loswerden können«, sagt Kirchenpfleger Toni Kaiser. Und man muss nicht lange suchen, um seine These zu belegen. Als aktuelles Beispiel wäre da die Waldkolonie Putzbrunn zu nennen. Das Landratsamt hat angekündigt, dort eine Asylbewerberunterkunft für bis zu 120 Personen aufbauen zu wollen. Eine Bürgerinitiative wehrt sich dagegen. Nicht grundsätzlich, wie es von den Sprechern heißt, man wolle lediglich anstreben, Flüchtlinge in kleineren Gruppen auf mehr Gemeinden zu verteilen.

Auch die evangelische Kirche in Bayern hat eine Initiative gestartet, um Flüchtlinge unterzubringen: Das zuständige Landeskirchenamt hat Ende 2013 eine Anfrage an alle bayerischen Kirchengemeinden gestartet. Eine Liste von 30 in Frage kommenden Immobilien wurde dann an das Innenministerium übermittelt, das die Verteilung der Flüchtlinge koordiniert, erklärt Johannes Minkus, Pressesprecher des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Zwei der 30 Wohnungen seien mittlerweile auch bewohnt, sie befänden sich in München.

Wie hilflos, wie verloren die Betroffenen sind, kann Hans Rotter, Kirchenverwalter in Sankt Ulrich, gut nachvollziehen. »Ich gehöre zu der Generation, die um 1945 selbst Flüchtling gewesen ist«, sagt er. »Wir sollten uns daran erinnern, dass es auch in unserer Geschichte eine Zeit gab, da wir auf der Flucht waren. Das kann jedem Volk passieren. Und wie wichtig, wenn man dann nicht alleine gelassen wird«. Alleine fühlt sich Ramadan Hasan nicht mehr, auch wenn er seine Familie, die größtenteils in Syrien ist, vermisst. Sogar sehr. »Aber ich habe keine andere Wahl, Deutschland ist mein neues Zuhause, ich bin hier angekommen.« Hasan ist ehrgeizig, sein Deutsch fließend, die Aufenthaltserlaubnis ist inzwischen erteilt, einen Job hat er auch gefunden, als Produktionshelfer. »Es ist schön, ihn bei uns zu haben«, so Georg Rieger. Und wer den Pfarrer reden hört, der spürt, wie bereichernd es sein kann, einem Fremden die Tür zu öffnen. Von Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 30.01.2014
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