Hetero – die Norm?

Isarvorstadt · »Elternabend«: Hilfe für Eltern homosexueller Kinder

Thomas Fraunholz (l.) und Conrad Breyer (r.) vom Sub sowie Miriam Vath im Gespräch mit den Eltern.	Foto: Kirsten Ossoinig/Logos: Sub/LeTRa

Thomas Fraunholz (l.) und Conrad Breyer (r.) vom Sub sowie Miriam Vath im Gespräch mit den Eltern. Foto: Kirsten Ossoinig/Logos: Sub/LeTRa

München/Isarvorstadt · Sitzt man Hermann H. (Name geändert) gegenüber, will im Gespräch sein Äußeres eigentlich erstmal so gar nicht zum Thema passen: Der Mann ist in den Siebzigern, er trägt ein kariertes Hemd und einen konservativen weißen Pullunder.

Ausführlich erzählt er in den Räumen von LeTRa, Beratungsstelle des Vereins Lesbentelefon, in der Isarvorstadt von seinen Eindrücken beim Christopher Street Day und darüber, dass er sich seit dem Coming-out seiner beiden schwulen Söhne mit ihnen vertrauensvoll und offen über die Themen Sex und Partnerschaft unterhalten kann. Durch das Coming-out des schwulen früheren Fußballprofis Thomas Hitzlsperger ist aktuell die Debatte um Homosexualität im Sportbereich befeuert worden.

Wie sieht es im nicht-öffentlichen Leben aus? Welche Probleme gibt es nach wie vor? Und zwar nicht für Schwule und Lesben selber, sondern für die Angehörigen?

»Schockierend« ist für Eltern von homosexuellen Kindern selbst, wie Hermann H. und seine Frau Christiane sowie Carola S. (Namen geändert) etwa, dass sich an bestimmten Ängsten seit 20 Jahren nichts geändert hat: »Was ist, wenn die Nachbarn erfahren, dass der Sohn oder die Tochter schwul oder lesbisch ist?«, ist zum Beispiel eine der Fragen, die sich die betroffenen Angehörigen seit zwei Jahrzehnten stellen. Sagt wer? Die Eltern selbst natürlich. Die das herausgefunden haben bei den »Elternabenden« für Eltern homosexueller Kinder, organisiert von LeTRa und Sub, dem schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum, beide nachbarschaftlich angesiedelt in der Isarvorstadt.

Carola S. trauert ein wenig der Vergangenheit nach – der Zeit, als ihre Töchter noch »weiche Frauen« gewesen seien. Zwei ihrer Töchter, beide über 18, sind lesbisch. Und vor allem die eine der beiden, sagt Carola S., habe sich äußerlich sehr verändert, in ein »taffes Kurzhaarmädchen mit vielen Piercings und Tattoos«.

Abgesehen davon hat Carola S. zunehmend Probleme mit der Lebensweise ihrer Töchter. Am Anfang, als sie von der Homosexualität erfahren habe, sei das nicht so schlimm gewesen. »Aber ich werde mit den Jahren intoleranter.« Carola S. spricht von Vorurteilen, die sie entwickelt. Denn »in der Szene« gebe es eine »Häufung von Mädels mit schwieriger Vergangenheit und schwierigem Ist-Zustand«. Die Mutter befürchtet eine Übertragung auf ihre ­Kinder. Belastend ist außerdem der Umgang mit der Thematik im Freundeskreis und auch in der eigenen Familie.

Es komme schon mal die Frage von Bekannten, erzählt Carola S., »kommen deine Töchter denn auch und bringen die ihre Freundinnen mit?« Die Erleichterung sei zu spüren, so die Mutter weiter, wenn sie das verneint. Bei der Frage »wie kommst du denn mit denen zurecht?«, fühlt sich Carola S. häufig »in die Ecke gedrängt«. Und selbst in der eigenen Familie, etwa mit den Großeltern, die laut Carola S. generationenbedingt überfordert seien, würde Kritik an der Mutter laut, dass sie mit der Situation »viel zu locker« umgehen würde.

Das »Hauptproblem« für Hermann H. und seine Frau Christiane ist die Frage »Wie erkläre ich anderen Leuten die Homosexualität meiner Kinder?« Beide Söhne des Ehepaares sind schwul. Einer der beiden hat sich kurz vor seiner Hochzeit mit einer Frau geoutet – für die Eltern eine zusätzliche Belastung, den Menschen in ihrer Umgebung die geplatzte Hochzeit erklären zu müssen. Hermann H. befürchtet außerdem, dass Personen »falsch reagieren«, wenn er erzählt, dass seine Söhne schwul sind.

Die Söhne sind prachtvolle Burschen

»Deswegen muss ich das nicht jedem auf die Nase binden«. Ihm wäre es »natürlich lieber«, wenn seine Kinder heterosexuell wären. »Aber ich schäme mich nicht für sie, es sind zwei prachtvolle Burschen.« Trotz des Zwiespalts steht Hermann H. hinter seinen Söhnen. Für ihn bedeutet »hetero die Norm«. Er ist Jahrgang 1943, in seiner Generation war Homosexualität ein Tabu: »Das schickt sich nicht, das ist nicht normal« – mit dieser Aussage ist Hermann H. aufgewachsen.

Neben vieler Probleme, die durch die Homosexualität der Kinder entstanden sind, spricht Carola S. etwa aber auch von einer »unglaublichen Horizonterweiterung«: Denn jetzt befindet sie sich in einer spannenden, interessanten Welt, im »Käfig voller Narren«. Das alles hätte sie ohne ihre Töchter nicht kennengelernt. »Und jetzt bin ich voll im Käfig.«

Haben wir etwas falsch gemacht? Was sagen die Leute? Wie sollen wir uns verhalten?
Eltern homosexueller Kinder sind oft verunsichert. Das ist kein Wunder, denn noch immer haben viele Menschen Vorbehalte gegenüber Lesben und Schwulen.

Die Lesbenberatung LeTRa und das Schwulenzentrum Sub bieten daher seit Oktober gemeinsam einen »Elternabend« für Mütter und Väter an, die mit der Homosexualität ihrer Kinder nicht oder nur unzureichend klarkommen. Die Abende finden in den Räumen von LeTRa statt, Angertorstraße 3.

Infos zu den Terminen gibt es im Internet unter www.letra.de und unter www.subonline.org. Kirsten Ossoinig

Artikel vom 21.01.2014
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