Schiedsrichterin und Schiedsrichter im Gespräch: Haben weibliche Schiedsrichter mit Vorurteilen zu kämpfen?

Frauen als Schiedsrichter: »Es fehlt noch immer die Akzeptanz«

Ivanka Vukusic, Schiedsrichterin seit 2007 und Christos Sofis, Schiedsrichter seit 2008. Fotos: E.S.

Ivanka Vukusic, Schiedsrichterin seit 2007 und Christos Sofis, Schiedsrichter seit 2008. Fotos: E.S.

München · Frauen kommen angeblich von der Venus, Männer vom Mars – und genau diesem Schubladendenken verdankt man Sprüche wie »typisch Mann« und »typisch Frau«.

»Fairplay München«

Alle Menschen, die auf dieser Welt wandeln, bedienen sich klassischer Stereotype, um Informationen zu sortieren und leichter verarbeiten zu können. So »weiß« bereits jedes Kind, dass Frauen emotional sind, gerne einkaufen und stundenlang telefonieren, wohingegen Männer nicht weinen, auf Fußball stehen und mit ein paar gemurmelten Worten bestens durch den Tag kommen. Zugegeben, einige der unzähligen Klischees mögen manchmal zutreffen, aber eben nicht alle. Langsam aber sicher brechen stereotype Rollenbilder auf, wodurch sich Männern wie Frauen mehr Möglichkeiten im Leben auftun. So ist es nicht mehr ganz so ungewöhnlich, wenn im männlich konnotierten Fußball plötzlich Frauen mitmischen – oder doch?

Die Münchner Wochenanzeiger haben mit Ivanka Vukusic und Christos Sofis gesprochen. Beide haben ein Faible für Amateurfußball, engagieren sich für die Initiative »Fairplay München« und sind Schiedsrichter. Doch wird man als Frau im Männersport häufig mit Vorurteilen konfrontiert? Und nach wessen Pfeife wird eher getanzt?

Frauen im Männersport

Ivanka Vukusic wurde 1971 in Zadvarje, Kroatien geboren und lebt seit 1994 in Deutschland. Mit Fußball begann sie im Jahr 1988/89 beim Verein Jugoplastika Split. »Eigentlich wollte ich Handball spielen, aber der Fußballverein war mit den öffentlichen Verkehrsmitteln besser erreichbar«, gesteht sie lachend. Doch aus dieser anfänglichen »Notlösung« wurde eine große Leidenschaft: Auch in Deutschland verfolgte sie die sportliche Aktivität weiter und trat 1995 dem VfL Sindelfingen bei. Das Fußballglück währte allerdings nur kurz, denn die damals 24-Jährige zog sich eine Verletzung zu, wodurch aktives Kicken nicht mehr möglich war. »Dennoch wollte ich weiterhin in diesem Sport tätig sein und vor allem meine sportlichen Erfahrungen weitergeben. Auf der Suche nach etwas Geeignetem habe ich 2007 das Schiedsrichterdasein für mich entdeckt«, erklärt sie. Ein mutiges Unterfangen?

»Fußball ist leider immer noch ein sehr von Männern dominierter Sport«, meint Christos Sofis. Der gebürtige Münchner mit griechischen Wurzeln spielte bereits im Alter von acht Jahren bei der TSG Pasing. Ein Kumpel inspirierte ihn dazu Schiedsrichter zu werden und seit 2008 hat er 297 Spiele gepfiffen, 29 davon als Schiedsrichterassistent. Weibliche Schiedsrichter kennt er persönlich nur drei. »Dadurch, dass verhältnismäßig weniger Frauen im Kindesalter im Verein Fußball spielen, bleiben vermutlich weniger an der Pfeife hängen«, schätzt er.

Ivanka Vukusic denkt, dass das Problem in etwas anderem begründet liegt als von Christis Sofis beschrieben. »Es fehlt noch immer die Akzeptanz. Außerdem müssen Vereine mobilisieren und mehr für weiblichen Nachwuchs werben«, schlägt sie vor. Mit Vorurteilen seitens der Zuschauer, Trainer und Spieler sah sie sich bislang jedoch kaum konfrontiert: »Es kommt ab und zu schon mal vor, aber das ist eine absolute Seltenheit.«

Pfeifen Frauen anders als Männer?

Ob Frauen anders pfeifen als Männer, bringt beide zum Nachdenken. »Der Stil ist vielleicht ein anderer, aber ein Foul ist und bleibt ein Foul. Ich denke, das gibt sich nicht viel«, grübelt Christos Sofis in Anbetracht des festgelegten Regelwerks. Auch der 42-Jährigen fällt es schwer, dies konkret zu beurteilen: »Es kann sein, dass Frauen die Situationen im Spiel anders bewerten als es männliche Schiedsrichter tun würden. Aber das ist meiner Meinung nach Ansichtssache, denn es gibt ja klare Regeln.«

Das Wirken als Referee habe beiden viele Vorteile gebracht, weshalb sie die Tätigkeit sowohl jungen Frauen als auch jungen Männern weiterempfehlen würden. »Spielen kann jeder, nur entwickelt man sich in der eigenen Persönlichkeit viel eher beim Leiten eines Spiels weiter«, erklärt Christos Sofis. Man lerne, sich auf die gegebene Situation einzulassen, genauer hinzusehen, besser abzuwägen, die eigene Meinung zu vertreten und gute Kompromisse zur Zufriedenheit aller zu finden – letztendlich Eigenschaften, die für das spätere Berufsleben ebenfalls von Interesse sein können.

Ivanka Vukusic und Christos Sofis sind sich einig: Ganz gleich ob Männlein oder Weiblein, letztendlich müsse die gemeinsame Liebe zum Fußball mehr verbinden als voneinander trennen. Gute und schlechte Erfahrungen als Schiedsrichter sammle man schließlich unabhängig vom Geschlecht. So freuen sich beide, wenn die Mannschaften ihnen nach dem Spiel die Hand reichen und sich für ihre gute Leistung bedanken. Ebenso betrübt es beide, wenn Spieler oder Trainer mit allen Mitteln nur gewinnen wollen und die Fairness aus den Augen verlieren.

»Respekt und Fairplay müssen bei allen Mitwirkenden eines Fußballspiels immer im Mittelpunkt stehen«, betont die Unparteiische. Diese Meinung teilt auch Christos Sofis. Beide sind kürzlich der Initiative »Fairplay München« beigetreten und möchten auf diese Weise dem Münchner Amateurfußball »wieder das Auftreten geben, das die Weltstadt mit Herz auch verdient«, wie es Sofis passend ausdrückt. »Jeder von uns kann im eigenen Umfeld die Welt ein wenig besser machen. Es reicht nicht nur zu wollen, man muss es auch tun. Kleinigkeiten reichen dabei oftmals aus und können Großes bewirken«, pflichtet Ivanka Vukusic bei. E.S.

Was halten die Münchner SamstagsBlatt-Leser von weiblichen Schiedsrichtern? Stimmen Sie ab unter www.samstagsblatt.de.

Artikel vom 06.11.2013
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