Ein Zuhause für Menschen mit Handicap

Höhenkirchen-Siegertsbrunn · Zukunft sichern

»Zukunft trotz Handicap« : (v. l.) Rolf Gärtner, Andrea Hanisch, Hans-Jürgen Gerhardt und Susanne Klebel haben viel vor.	Foto: RedHS

»Zukunft trotz Handicap« : (v. l.) Rolf Gärtner, Andrea Hanisch, Hans-Jürgen Gerhardt und Susanne Klebel haben viel vor. Foto: RedHS

Höhenkirchen-Siegertsbrunn · Viele Eltern behinderter Kinder stellen sich beständig die gleich quälende Frage: »Was passiert mit meinem Sprössling, wenn ich mich aus Altersgründen oder aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr um ihn kümmern kann? Wie kann ich dem geliebten Menschen trotz seiner Einschränkung weiter ein möglichst selbstbestimmtes Leben bieten?«

Die Fragen vieler besorgter Eltern hat jetzt der am Wochenende in Höhenkirchen-Siegertsbrunn neu gegründete Verein »Zukunft trotz Handicap« aufgegriffen. Sein Ziel ist der Bau eines eigenen Wohnheims auf dem Terrain der Gemeinde. Finanziert werden soll das Projekt durch Kaufanteile der Eltern und durch eine Stiftung – zudem werden Sponsoren gesucht. Hauptinitiatorin ist die Höhenkirchener Gemeinderätin Andrea Hanisch (CSU), die zudem im Verein als erste Vorsitzende agiert. Allein der Bau des neuen Wohnheims wird auf 4,3 bis 4,8 Millionen Euro taxiert. Noch im März soll der örtliche Gemeinderat endgültig über das Projekt befinden. Bis 2015 soll die Einrichtung dann fertigestellt sein und ihre Pforten für rund 30 Bewohner öffnen.

Der Bedarf scheint enorm, denn bei der Informationsveranstaltung im Rahmen der Vereinsgründung am letzten Samstag platzte der Gastraum der Gaststätte Alter Wirt in Höhenkirchen-Siegertsbrunn ob des Besucherandrangs fast aus allen Nähten. »Kein Wunder«, betont Hanisch. »Mehr als 300 Menschen mit Behinderung leben allein in unserer Gemeinde – die Sorge vieler Eltern und Angehöriger ist groß, was mit diesen Menschen passiert, wenn sie sich nicht mehr um sie kümmern können.« Diese Versorgungslücke, bei der weder Bund noch Land in die Bresche springen, gelte es zu schließen.

Andrea Hanisch ist seit langer Zeit an dem brisanten Thema dran. »Ich habe im Freundeskreis und in der eigenen Familie in den letzten Jahren recherchiert und bin dabei auf diesen Schiefstand in der Versorgung gestoßen«, erzählt sie. »Mein Neffe hat eine Trisomie 21.« Auch mit ihm selbst habe sie sich intensiv unterhalten, seine Wünsche sondiert. »Aber bei der Suche nach geeigneten Wohnmöglichkeiten für diese Menschen habe ich meine Illusionen schnell verloren – das Angebot hinkt weit hinter dem Bedarf her.« Auf diese Art entstand der Wunsch, aus dem Mangel zumindest in der eigenen Gemeinde eine Tugend zu machen: Die Idee sei vor fünf Jahren entstanden. Junge Leute mit geistiger oder körperlicher Behinderung sollen dort einmal leben können – in eigenständigen Appartements mit gemeinsamen Küchen, Versorgungseinrichtungen und Gruppenräumen. »Wenn es vom Staat nicht forciert wird, dann machen wir es eben selbst«, betont Hanisch. Die Verhandlungen mit der eigenen Gemeinde über die Vergabe eines geeigneten Grundstücks liefen gut. »Die Bürgermeisterin selbst hat sich eingeschaltet. Wenn der Gemeinderat zustimmt, deutet sich bereits eine Lösung an«. Vorgreifen wolle sie aber dessen Entscheidung in diesem Monat nicht.

16 Mitglieder hat der junge Verein vorerst, in dem neben Hanisch besonders der zweite Vorsitzende Hans-Jürgen Gerhardt hervorsticht. Der Familienvater hatte bereits vor dem jetzt angelaufenen Projekt ein Wohnheim ähnlicher Prägung in Unterschleißheim mit initiiert und reichlich Erfahrung gesammelt. »90.000 Euro werden wohl die Anteile für die Eltern kosten, wenn sie einen Wohnplatz erwerben wollen«, umreißt Gerhard die meistgestellte Frage im Raum. Zwei Stiftungen seien zudem zu einer Kooperation mit dem Verein bereit. So sollen auf jeden Fall fünf der künftig 30 Plätze durch Stiftungsgelder finanziert werden. »Wir wollen schließlich kein Projekt für Reiche – vielmehr wollen wir dazu beitragen, dass die Eltern ihre Sorgen los werden«, beschreiben Hanisch und Gerhardt den eigenen Ansatz. Zudem sei man auf der Suche nach Sponsoren, um die wirtschaftlichen Belastungen weiter abzufedern. Der noch junge Verein scharrt indes schon mit den Hufen. »Es könnte losgehen, das Konzept steht«, betont die Vorsitzende.

Mit dem »Heilpädagogischen Centrum Augustinum« (HCPA) und dem Verein Lebenshilfe seien auch bereits mögliche Betreiber gefunden. HCPA ist schon in der Oberschleißheimer Einrichtung federführend tätig. Das Wohnheim selbst soll familiär strukturiert sein. In drei Gruppen sollen jeweils zehn junge Menschen mit ganz unterschiedlichen Handicaps leben. Rund 25 Quadratmeter groß sollen die Einzelappartements jedes Bewohners sein, an welche die Gemeinschaftsräume direkt angeschlossen sind. Betreut wird das Projekt von geschulten Mitarbeitern – fünf Vollzeitstellen, verteilt auf verschiedene Teilzeitmodelle, sind laut Hanisch vorgesehen. »Es ist ein ehrgeiziges Projekt, dem wir uns da verschrieben haben«, betont die Vorsitzende. »Aber eben auch ein sehr wichtiges». Jetzt gelte es, weitere Weichen zu stellen. Denn bei der ersten ordentlichen Mitgliederversammlung von »Zukunft trotz Handicap e.V.« sollen bereits weitere Planungsfortschritte vermeldet werden. RedHS

Artikel vom 05.03.2013
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