Hitzige Diskussion um das Grundstück in der Neuherbergstraße in der Nordhaide

Nordhaide · Grünfläche oder Geschäft?

Tanja Oesterle und Wolfgang Mesenich (v. r.) präsentierten die Pläne zum Bau der Grünanlage an der Neuherbergstraße 28 den Bürgern und Stadtteilpolitikern, wie der BA-Vorsitzenden Antonie Thomsen (l.) und Adolf Jackermayer. Foto: ws

Tanja Oesterle und Wolfgang Mesenich (v. r.) präsentierten die Pläne zum Bau der Grünanlage an der Neuherbergstraße 28 den Bürgern und Stadtteilpolitikern, wie der BA-Vorsitzenden Antonie Thomsen (l.) und Adolf Jackermayer. Foto: ws

Nordhaide · Die Stadt will an der Neuherbergstraße 28 eine Grünanlage bauen – doch die Anwohner möchten vor ihrer Haustüre lieber einen Lebensmittelladen haben. Jahrelang war einer da, doch dann ließ die Stadt den Flachbau abreißen. Anstelle des Nahversorgers gibt es eine triste Kiesfläche.

Da soll Gras drüber wachsen und ein Rollrasen hin mit Sitzelementen, Sitzstufen, einer Fitnessinsel und Gräsern.
»Das brauchen wir alles nicht«, »das ist ein schöner Plan, aber an Grünflächen fehlt es uns hier nicht, sondern an Einkaufsmöglichkeiten«, entgegneten die Bürger bei einer Anwohnerinformation des Gartenbauamtes im Nachbarschafts- büro Nordhaide am Ernst-Schneider-Weg. »Wir bitten um einen kleinen Laden«, so eine Frau unter dem Applaus der mehr als 70 Anwesenden. Da könne man sich morgens schnell mal um die Ecke Semmeln holen. Denn seit der Laden weg ist, müsse man für den täglichen Einkauf weite Wege zurücklegen. »Ich finde diesen Zustand unmöglich«, meinte eine andere Bürgerin.

Betroffen seien insbesondere ältere, gehbehinderte Menschen sowie Senioren mit Rollator, ergänzte Mieter-Sprecher Egon Franzmann. Er ist Vorsitzender des Mietervereins »Bundeseigene Wohnanlage München-Nord«. Die Wohnblocks hätten rund 500 Einheiten und lägen rund um die nahe Bergmann-Kaserne. Franzmann habe sich viele Jahre für den Erhalt des Lebensmittelladens an der Neuherbergstraße 28 eingesetzt – doch vergebens: »Der Vertrag wurde von der Stadt gekündigt, der Betreiber wollte bleiben«, so der Mieter-Sprecher. Die Bewohner fühlten sich nun von der Stadt im Stich gelassen. Der Bezirksausschussvorsitzenden Antonie Thomsen wäre es zwar auch lieber gewesen, wenn der Nahversorger geblieben wäre. Doch der Laden sei nur vorübergehend geduldet gewesen.

Die Vertreter des Gartenbauamtes verteidigten das Projekt vehement. Es sei »sehr bedeutsam für die Grünplanung«, betonte Wolfgang Mesenich. Im Übrigen sei das Grundstück im Bebauungsplan als Grünfläche ausgewiesen. »Der Bebauungsplan ist für uns das Evangelium, geltendes Baurecht«, stellte Mesenich klar. Seine Kollegen vom Planungsreferat verwiesen darauf, dass die geplante Grünfläche als Pufferzone zwischen der dichten Wohnbebauung im Münchner Norden und dem Naturschutzgebiet Panzerwiese benötigt werde. Zudem sei das neue Quartier Nordhaide inklusive der Nordhaide-Ost »mit der kinderreichste Stadtteil in München«, so Planungsexperte Michael Hardi. Unter den 6000 Bewohnern seien annähernd 2000 unter 18 Jahre alt. Die vielen Kinder und Jugendlichen bräuchten Spiel- und Bolzplätze in der Umgebung, »es gibt Spieldruck auf die Flächen«, meinte Hardi. Deshalb will die Stadt beim Bau der neuen Grünanlage die vorhandenen Spielplätze im Nordteil des Grundstücks aufpeppen.

Die Bewohner aus der Nordhaide-Ost sahen das anders: Diese Anlagen seien bis auf das Wochenende kaum frequentiert. »Niemand schickt die Kinder zu den Spielplätzen. Sie spielen vor der Tür«, berichtete eine Frau. Ein Anwohner wusste auch warum: »Die Eltern haben Angst, dass ihre Kinder verschleppt werden. Deshalb dürfen sie nicht hin.«

Planungsexperte Hardi, der mit seiner Familie selbst in der Nordhaide wohnt, zerstreute diese Ängste mit dem Hinweis, dass seine Kinder da sehr wohl spielten – und »ich hatte noch nie Angst, dass sie entführt werden«. Im Übrigen seien heutzutage viele Eltern Doppelverdiener, deshalb seien die Kinder nachmittags in einer Tagesstätte und hätten erst ab 17 Uhr Zeit, zu den Spielplätzen zu gehen.

Die Bürger ließ all dies unbeeindruckt. Sie forderten die Stadt auf, den Bebauungsplan zu ändern und an der Neuherbergstraße eine Fläche für Einzelhandel auszuweisen. »Das macht keinen Sinn. Wir werden keinen Betreiber finden«, entgegnete Hardi. Denn es gebe viele Lebensmittel- geschäfte in der Umgebung, etwa an der Schleißheimer Straße und im Westteil der Neuherbergstraße. Doch diese Läden seien nicht fußläufig zu erreichen, hielten die Anwohner dagegen. »Ich muss mit dem Auto zum Einkaufen fahren«, beklagte einer von ihnen. Das müssten viele Leute in München, stellte Antonie Thomsen (SPD), die Vorsitzende des Bezirksausschusses Milbertshofen-Am Hart, klar. Das Stadtteilgremium versuche jedoch alles, ein- bis zweimal pro Woche temporäre Einkaufsmöglichkeiten auf dem Grundstück zu etablieren. Dazu müssten beim Bau der Grünanlage entsprechende Anschlüsse verlegt werden, forderte Thomsen. Gartenbauexperte Mesenich konnte Beruhigendes vermelden: »Die technischen Voraussetzungen sind bereits projektiert«, sprich das Verlegen von Strom- und Wasseranschlüssen.

Der Bezirksausschuss will außerdem erreichen, dass die Verwaltung an der Neuherbergstraße 28 einige Kurzzeit-Parkplätze schafft. Früher konnten die Eltern der städtischen Kindertagesstätte am Rose-Pichler-Weg auf dem Grundstück des Lebensmittelladens ihre Autos zum Bringen und Abholen der Kinder abstellen. Das geht jetzt nicht mehr. Die Eltern parken nach den Beobachtungen der Anlieger nun in den kleinen Wohnstraßen. »Hat sich denn niemand vorher Gedanken über die Zufahrt zu der Tagesstätte gemacht?«, ärgerte sich eine Bürgerin. Die Kollegen seien damals davon ausgegangen, dass die Kinder zu Fuß gebracht würden, sagte Hardi und versprach: »Wir haben das Thema Stellplätze erkannt und werden handeln.«

Wann die neue Grünanlage entsteht, ist dem Baureferat zufolge noch offen. Nun gelte es, die Wünsche der Bürger zu berücksichtigen und in die Beschlussvorlage einzuarbeiten. Dann werde man das Papier dem Bezirksausschuss Milbertshofen-Am Hart zur Entscheidung vorlegen – in diesem Fall sei nicht der Stadtrat zuständig. Mit einem Wochenmarkt wird es also so schnell nichts. Die Anwohner aus der Nordhaide-Ost müssen noch etliche Zeit weite Wege zum Einkaufen zurücklegen. ws

Artikel vom 22.01.2013
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