Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung wirbt am Otto-von-Taube-Gymnasium für die Jugend und die Demokratie

Thomas Krüger: „Politische Bildung ist keine Hirnwäsche“

Thomas Krüger im Gautinger Otto-von-Taube-Gymnasium. Foto: VA

Thomas Krüger im Gautinger Otto-von-Taube-Gymnasium. Foto: VA

Gauting · Egal, ob es um die Weimarer Republik, den Föderalismus oder um Grundrechte geht: Die „Informationen zur politischen Bildung“ sind seit Generationen bekannt und bieten immer einen guten Überblick. Verantwortlich für die schwarzen Hefte mit dem roten Streifen im DIN A4-Format ist die Bundeszentrale für politische Bildung.

Dass die Behörde mit dem sperrigen Namen alles andere als verstaubt ist, das stellte deren Präsident Thomas Krüger dieser Tage eindrucksvoll unter Beweis. Bei einem gut besuchten Vortrag in der Kleinen Aula des Gautinger Otto-von-Taube-Gymnasiums berichtete der frühere DDR-Oppositionelle, wie er seit seinem Amtsantritt im Jahr 2000 diese „europaweit einzigartige Institution“ auf Vordermann brachte. „Die Bürger lassen sich Politik nicht mehr gefallen“, so der gelernte Pfarrer, „sie mischen sich ein“. Deshalb richtete die Bundeszentrale schon 2002 den ersten deutschen Wahl-O-Mat ein, mit dessen Hilfe Wählerinnen und Wähler online nach der für sie passenden Partei suchen können. „Unser erfolgreichstes Angebot, wir können uns kaum retten vor Anfragen.“ Krüger war extra aus Bonn angereist, um auf Einladung des Elternbeirats über „Starke Eltern, starke Lehrer, starke Kinder“ zu sprechen. Und die rund 90 Zuhörer wurden nicht enttäuscht. In seinem frei gehaltenen und kurzweiligen Referat machte Krüger klar, dass sein Haus den 34 Millionen-Jahresetat klug verwaltet. „Wir betreiben keine Hirnwäsche!“ Stattdessen veranstaltet die Bundeszentrale, unter anderem Seminare für Eltern, denen die Computer-Leidenschaft ihrer Kinder unheimlich ist. Oder sie bietet Hausaufgaben- und Verständnishilfen per twitter an – unter dem Motto „frag die bpb“. Immer wieder ließ Krüger, der selbst zwei halbwüchsige Söhne hat, durchblicken, dass die Jugend besser und politischer ist als ihr Ruf. „Politikferne Jugendliche lehnen Politiker erst mal ab. Aber wenn sie dann einen persönlich kennenlernen, dann finden sie ihn meistens gut.“ Was den Mitbegründer der einstigen DDR-SPD besonders freut: „Dass gerade die Jugendlichen aus Südeuropa, die daheim kaum Arbeit finden, nicht nur unsere Wirtschaftskraft, sondern auch unsere demokratischen Errungenschaften seit 1945 schätzen.“

In seinem deutsch-deutschen Leben hat es der heute 54-jährige Krüger aus der oppositionellen „Kirche von Unten“ in die letzte DDR-Volkskammer geschafft und dann nach der Wiedervereinigung in den Berliner Senat und in die Bundespolitik. Nach vier Jahren im Bundestag hat er als einer der ersten Berufspolitiker überhaupt zwei Jahre Erziehungsurlaub genommen und direkt danach ernannte ihn der damalige SPD-Bundesinnenminister Otto Schily zum Leiter der renommierten Bundeszentrale für politische Bildung. Daneben ist Krüger stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz. Auch in dieser Eigenschaft wusste er die versammelte Eltern- und Lehrerschaft zu beruhigen: „Nicht jedes Video-Spiel muss ein Horrorszenario sein. Und nicht jeder, der am Smartphone surft, schaut sich Pornoseiten an.“ Dennoch weiß natürlich auch Krüger um die Auswüchse des Internets und rief deshalb zur Mäßigung auf: „Wir brauchen eine freiwillige Jugendschutzleistung der Internet-Anbieter!“

Trost hatte der Gast aus Bonn schließlich auch in seiner Eigenschaft als ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks parat: „Konflikte mit unseren Kindern bezeugen doch nur, dass diese Kinder einen eigenen Kopf haben.“ In der anschließenden Diskussion war Krüger erneut in Hochform. Da merkte man ihm deutlich an, dass er als DDR-Pfarrer das Zuhören, das Abwägen, den Widerspruch, aber auch das versöhnende Wort praktiziert hat. Er diskutierte leidenschaftlich unter anderem mit OvTG-Direktorin Sylke Wischnewsky, mit der Grünen-Landtagsabgeordneten Anne Franke oder mit dem Gautinger CSU-Gemeinderat Maximilian Platzer. Und einmal mehr wurde klar, was für ein demokratisches Vorbild Thomas Krüger ist. Etwa dann, als er einer Schülerin, die sich unter den gestrengen Augen von Eltern und Lehrern etwas im Kleinklein des Otto-von-Taube-Gymnasiums verheddert, geduldig und anerkennend zuhört.

Als Dank für einen äußerst lehrreichen Abend überreicht die Elternbeiratsvorsitzende Jasmin Klingan dem engagierten Redner noch einen Südtiroler Rotwein in der Holzkiste. Krüger freut sich und macht sich auf die weite Heimreise. Der Bundeszentrale für politische Bildung wird die Arbeit nicht ausgehen, auch 2013 dürfte die Behörde wegen der Wahlen in Bayern und im Bund alle Hände voll zu tun haben. Und während Thomas Krüger schon im Auto nach Bonn sitzt, denkt man darüber nach, dass dieser beeindruckende Mann sein Amt im Jahr 2000 unter einer rot-grünen Bundesregierung antrat und er sowohl den Regierungswechsel zu schwarz-rot als auch den zu schwarz-gelb ohne Blessuren überstand und immer noch fest im Sattel sitzt. „Der ist wirklich überparteilich und hat Charisma“, so eine Besucherin nach der Veranstaltung, „wenn nur alle so über den Dingen stehen würden“. Unvergessen bleibt, was Krüger den Gautingern noch mit auf den Weg gegeben hat: „Unser Job ist, den Leuten zu sagen, dass sie von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen sollen.“

Artikel vom 15.11.2012
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