Ehemalige Mitarbeiter erinnern sich an Ludwig Bölkow

Ottobrunn · Ein Mann mit unbeugsamer Energie

Helmut Hopmann & Eveline Gottzein

Helmut Hopmann & Eveline Gottzein

Ottobrunn · Ludwig Bölkow ging in vielen Bereichen neue und innovative Wege. Neuartige Produkte und Lösungen wurden entwickelt. Dies erforderte natürlich kreative und hochmotivierte Mit­arbeiter. An den Universitäten und Technischen Hochschulen sprach man von MBB als den »Deutschen Think-Tank«, was dazu führte, dass viele junge Akademiker nach dem Studium ihre Arbeit bei MBB aufnahmen.

Von seinen Mitarbeitern wurde Ludwig Bölkow sehr geschätzt. In den Textkästen erinnern sich Prof. Dr. Eveline Gottzein, Dr. Walter Kroy und Helmut Hopmann als ehemalige Mitarbeiter an die Arbeit für und mit Ludwig Bölkow.

MO

Ein innovativer Unternehmer mit gesellschaftlicher Verantwortung

Helmut Hopmann:

Eine Stellenanzeige der Bölkow Entwicklungen KG zog mich zum Vorstellungsgespräch nach Ottobrunn. Die außergewöhnliche Dynamik und Innovationskraft der Firma hatte sich landesweit herumgesprochen, und ich hoffte, in einem noch sehr unkonventionellen Tätigkeitsgebiet wie dem der Raumfahrt und Raketentechnik eine Berufschance zu finden. So arbeitete ich ab 1964 als gerade an der RWTH Aachen diplomierter Ingenieur in der Triebwerksabteilung des Unternehmens. Diesen Geschäftsbereich leitete ich später bis zu meiner krankheitsbedingten Verabschiedung 1995. Auf einer Betriebsversammlung konnte ich erstmalig den Firmengründer Ludwig Bölkow erleben. Sein Auftritt wurde von der Belegschaft sogleich lebhaft beklatscht. Ohne große Umschweife kam er zu den die Mitarbeiter am meisten bewegenden Fragen wie Kantinenbau, Kindertagesstätte, Behelfsausfahrt an der A8 oder Gleitzeiteinführung.

Wenn »der Chef« hochrangige Besucher zum Triebwerkstestgelände an der B471 begleitete, war ihm die Brisanz der hier benutzten Treibstoffe und Systeme wohl bewusst. So hinterfragte er mit geübten Ingenieursverstand Triebwerksleistung und den Stand der Sicherheitstechnik, um mit seinen Mitarbeitern den hohen Qualitätsstand des Unternehmens zu demonstrieren. Mit unbeugsamer Energie trieb Ludwig Bölkow die internationale Expansion seiner »echnologieschmiede« – heute EADS – voran. Speziell der deutsch-französischen Zusammenarbeit verlieh er entscheidende Impulse. Das soziale Wohlergehen seiner Mitarbeiterschaft im Inn- und Ausland lag ihm sehr am Herzen. So erkundigte er sich bei seinen Dienstbesuchen in unserem Pariser Büro immer nach den persönlichen Arbeits- und Lebensbedingungen.

Immer wieder hielt Ludwig Bölkow seine Entwicklungsleiter an, ihr Wissen und die technologischen Erfahrungen des Unternehmens auf Anwendungen außerhalb der Luft- und Raumfahrt zum Wohle der Gesellschaft zu überprüfen. Namhafte Natur- und Geisteswissenschaftler wie C.F. von Weizsäcker lud er nach Ottobrunn zum weltoffenen Dialog ein. Als ich Ludwig Bölkow 1998 um ein Geleitwort zu meinem Buch über die Entwicklung der Raketenantriebe in Deutschland bat, war die schöpferische Kraft seines Unternehmertums und die Vision von einer durch modernste Technik ökologisch geprägten Welt noch immer eindrucksvoll zu spüren.

»Geist von Ottobrunn« brachte Höchstleistungen hervor

Eveline Gottzein:

Meine Tätigkeit als Entwicklungsingenieurin bei der Bölkow Entwicklungen KG begann 1959. In den folgenden Jahren habe ich unterstützt von hoch motivierten Mitarbeitern die Abteilung für Regelung und Simulation im späteren Bereich Raumfahrt aufgebaut und bis zu meinem Ausscheiden 1993 geleitet. Meine Kontakte zu Ludwig Bölkow sind auch in der Folgezeit nicht abgerissen.

Die Grundlage des Erfolgs des Unternehmens MBB GmbH war die Neuartigkeit der Vorgehensweise, die Ludwig Bölkow selbst in folgendem Satz aus dem Jahr 1967 zusammengefasst hat: »In unserer modernen Industriegesellschaft kann der Begriff der Entwicklung nicht auf die Gestaltung und materielle Realisierung eines gegenständlichen Produkts beschränkt werden. (…) Der Entwickler musste lernen, zunächst abstrakt, das Gesamtsystem zu verstehen, zu optimieren und das Ergebnis zu hinterfragen, um daraus die Anforderungen an sein Produkt abzuleiten. Dieses Systemdenken ist eine der wesentlichen, modernen Entwicklungstätigkeiten.« Dieses waren nicht nur Lippenbekenntnisse. Bereits 1960 wurden für die Systemanalyse mit mathematischen Methoden in der damaligen Bölkow KG so genannte Operations-Research-Abteilungen aufgebaut. Der im Dezember 1959 in Betrieb genommene »Großrechner« Siemens 2002 war die erste voll transistorisierte Rechenanlage in einem Industriebetrieb in Deutschland.

Ludwig Bölkow war für uns Vorbild, sowohl im fachlichen Können als auch in der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, selbständig zu handeln und hart zu arbeiten. Aus persönlicher Sicht steht für mich das Vertrauen an erster Stelle, das Ludwig Bölkow seiner jungen Mannschaft geschenkt hat. Durch die Vorgabe hochgesteckter Ziele und die »lange Leine« bei der Ausgestaltung hat er in uns ungeahnte, kreative Kräfte freigesetzt. Dieser oft zitierte »Geist von Ottobrunn« hat zahlreiche herausragende Gemeinschaftsleistungen hervorgebracht. Die Fähigkeit zu ganzheitlichem Denken und vernetztem Beurteilen ging für Ludwig Bölkow über den wissenschaftlich-technischen und industriellen Bereich hinaus und findet seinen Ausdruck in dem Zitat: »Der Ingenieur muss auch die gesellschaftlichen Konsequenzen seines Tuns erkennen und berücksichtigen«.

Die Einführung sozialer Einrichtungen entsprangen nicht nur dem Bestreben, die Mitarbeiter durch gute Arbeitsbedingungen zu motivieren, sondern auch seinem Wunsch, dort, wo notwendig, zu helfen. Ihrer Zeit voraus waren werksärztlicher Dienst, Betriebskindergarten, Gleitzeitregelung, Urlaubsgeld und Altersversorgung und das auch heute noch legendäre Betriebskasino.

Artikel vom 18.07.2012
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