US-Truppen in München: Bürgerprojekt auf Spurensuche

München · Von Elvis bis Erdnuss-Riegel

Elvis im Juni 1959 mit Tänzerin Lilo aus dem Nachtclub„Moulin Rouge“ am Karolinenplatz, aufgenommen vom Hausfotografen des „Moulin Rouge“, Rudolf Paulini. Foto: Paulini

Elvis im Juni 1959 mit Tänzerin Lilo aus dem Nachtclub„Moulin Rouge“ am Karolinenplatz, aufgenommen vom Hausfotografen des „Moulin Rouge“, Rudolf Paulini. Foto: Paulini

München · Elvis beim Feiern am Karolinenplatz, der Erdnuss-Geschmack von „butterfinger“, „Zorro“ im Kasernen-Kino, coole Klänge aus einer Villa in der Kaulbachstraße, aus der der Soldatensender AFN sein legendäres Radioprogramm in den Äther schickte – die US-Soldaten, die am 30. April 1945 nach München gekommen waren und insgesamt bis Anfang der 90er-Jahre in den Kasernen im Norden und Südosten lebten und arbeiteten, brachten Glanz in den tristen Nachkriegsalltag an der Isar.

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Ein Bürgerprojekt begibt sich derzeit auf die Spuren der „Amis in Giesing“, sucht Zeitzeugen und Fotos. Im Spätsommer wird dazu eine Ausstellung zu sehen sein. „Die Amis in München, das hab ich hautnah miterlebt“, erzählt Rudolf Kühnel. Mit 13 war der langjährige Stadtteilpolitiker 1950 mit seinen Eltern nach München gekommen und wohnte zunächst in den Schießplatzsiedlungen in Freimann. „Gleich daneben“ befand sich eine Kaserne der Amerikaner, an deren Namen sich Kühnel zwar nicht mehr erinnert, aber umso mehr an die „Bereicherung“, die die Mitglieder der amerikanischen Armee mit ihrem Lebensstil „in das triste Leben im Münchner Norden“ brachten. Berührungsängste habe es nie gegeben und die Jungendlichen nutzten laut Kühnel die Chance „ihr Englisch aufzubessern“. Und ihr Taschengeld oder Lehrlingsgehalt. Kühnel und andere jobbten etwa im sogenannten „Ami Club“ zwischen Gruson- und Ingolstädter Straße hinter der Bar. „Donnerstag war „Bingoabend“ und Samstag „Bunter Abend“. Das war weniger Arbeit als die Möglichkeit, „gute Musik zu hören“, sagt Kühnel. Für Begeisterung sorgte bei Kühnel etwa als der junge Max Greger aus Giesing dort aufspielte, der als einer der ersten Deutschen in amerikanischen Offizierskasinos auftrat und damit Pionier der deutschen Swing-und Jazzszene wurde. Weiteres Highlight jeden Sonntag für Kühnel und Hunderte von Münchner Jugendlichen: das Kino in der Kaserne an der Ingolstädter Straße: „Da haben wir das erste Mal Tarzan- und Zorrofilme gesehen“.

Die US-Soldaten waren beliebt, erinnert sich Kühnel. Sie hatten einen besonderen Status und haben das x-fache eines Arbeiters verdient. Davon hätten Gastronomie und Amüsierbetriebe gut profitiert, sagt Kühnel. „Probleme gab es aber nicht“, die Soldaten waren weitgehend gut integriert, sie verkehrten auch in den Gaststätten in der Schießplatzsiedlung“.

Und auch der Ende der 50er-Jahre wohl berühmteste US-Soldat, höchstbezahlter Schauspieler in Hollywood und Plattenstar in den USA, Elvis Presley, war während seiner Militärzeit als 24-Jähriger in München – aber ausschließlich zum Vergnügen. „Ich bin eigentlich nie ausgegangen, außer in Paris“, berichtete Elvis in der Pressekonferenz nach seiner insgesamt 18-monatigen Militärzeit in Deutschland. Dabei waren die insgesamt sechs Tage, drei im März, drei im Juni, die Presley 1959 an der Isar verbrachte, geprägt von Spaß und Party. Das zeigen an sich harmlose Fotos mit einem etwas zerzausten und knutschenden Elvis, die erst 1978, einem Jahr nach seinem Tod, an die Öffentlichkeit kamen und die der Münchner Andreas Roth für sein „The Ultimative Elvis in Munich Book“ zusammengetragen hat. „So privat hatte die Welt Elvis bis dato nicht gesehen“, erzählt Roth. München als Filmhochburg mit einem aufregenden Nachtleben sei für den Star eine schöne Abwechslung während seiner Militärzeit im beschaulichen hessischen Bad Nauheim gewesen. Im August bringt Roth ein neues Buch über die Militärzeit von Elvis heraus, in der es unter anderem auch um seine Zeit in München geht. Im Zuge seiner Recherchen ist Roth wieder auf bislang unbekannte Zeitzeugen, Fakten und Fotos aus Elvis‘ Zeit in München gestoßen. So hat Roth eine Zeugin gefunden, die Elvis im März 1959 bei einem Abstecher in die McGraw-Kaserne in Giesing getroffen und um ein Autogramm gebeten hat. Elvis wollte dort seinen Urlaub verlängern, er hatte ja nur einen „3 Day Pass, erzählte die Frau Roth, die heute in den USA lebt. Für eine reine Behauptung hält Roth die Aussage eines weiteren Zeitzeugen, dass Elvis für ein Privatkonzert nach Schleißheim eingeflogen worden sei. „Dafür gibt es keine Beweise und ich halte es auch für sehr unwahrscheinlich, weil er wegen seiner Verträge in den USA Auftrittsverbot hierzulande hatte.“

„Mit den Amerikanern hat sich alles vor Ort verändert“, sagt Ludwig Lechner. Der 70-jährige langjährige Vereinspräsident des DJK Fasangarten und Angehörige des örtlichen Bezirksausschusses ist schon aufgrund seines Lebenswegs ein spannender Zeitzeuge und intimer Kenner dieser Epoche. 1941 in Untergiesing geboren und 1944 nach Obergiesing umgesiedelt wurde Lechners Familie dort in den letzten Kriegstagen ausgebombt. Am Fasangarten fanden sie eine neue Heimat. Die Gegend hat den Mann geprägt. Die Pennälerzeit verbrachte er an der Perlacher Schule. Fast zeitgleich zum Einzug der „Amis“ im Forst verliefen auch die geschäftlichen Ambitionen seiner Familie: 1952 wurde an der Fasangartenstraße eine eigene Gaststätte eröffnet, später folgten der Getränkeheimdienst und die Pension an gleicher Stelle. Besonders mit dem Getränkedienst gelang es Lechner schnell, Kontakte zu den Amerikanern zu knüpfen. Egal ob in den „300er-Blocks“ der einfacheren Dienstgrade oder in den „400ern“ der Offiziere – Lechner kannte sie alle, die Adressen und deren Aufteilung kommen noch heute im Stakkatostil aus seinem Mund. Klar habe es am Anfang in der Bevölkerung auch Skepsis gegeben. „Doch die ist immer mehr gewichen“, so Lechner. Die Amis lebten nicht nur in der Siedlung, sie belebten sie. Pulsierende Bars entstanden entlang der Tegernseer Landstraße. „Für uns neu war, dass am Einlass auch einmal nur Schwarze in den ein oder anderen Club kamen – begleitet von ihren deutschen „Fräuleins“. Vorurteile gab es natürlich, als „Amiflietscherl“ wurden die Freundinnen der GIs von einigen Einheimischen bezeichnet. Das Cincinnati-Kino eröffnete und einmal im Jahr wunderten sich die Deutschen beim Besuch des „Little O“ über riesige Burger oder den legendären Butterfinger - eine lange Karamell-Schoko-Kalorienbombe typisch US-amerikanischen Zuschnitts. Football und Baseball hielten Einzug – etwa an der nahen Säbener Straße. Doch auch mancher Amerikaner wurde durch die Zeit in „Bavaria“ nachhaltig geprägt. Zum Beispiel Ben Bowman. Als Sohn einer deutschen Mutter und eines farbigen US-Amerikaners verbrachte er seine Kindheit und Jugend in der Munich American Highschool an der Lincolnstraße am Perlacher Forst. Nach Jahren in den USA kehrte Bowman in die alte Heimat zurück und arbeitet seit vielen Jahren als Biologe in Martinsried. Mit den alten Bekannten aus der Schulzeit ist er weltweit vernetzt. Erst vergangenes Jahr trafen sich viele Ehemalige an der alten Wirkungsstätte und zum Exkurs durch das München des 21. Jahrhunderts. „Vergessen ist da nichts“, bestätigte Bowman den Historikern bei ihrer Spurensuche.

Sie können was beisteuern für die Ausstellung „Amis in Giesing“? Erinnerungen, Erlebnisse, Fotos? Das Team ist diesen Samstag, 17. März, persönlich im Giesinger Bahnhof, Giesinger Bahnhofplatz 1, vor Ort: von 11 bis 16 Uhr (auch telefonisch unter 693879-30). Es können auch Einzeltermine vereinbart werden. Schriftliche Zusendungen – auch von Bildmaterial (Rückgabe garantieren die Macher) – werden erbeten an die Veranstalter „Freunde Giesings“ im Giesinger Bahnhof oder per E-Mail unter freundegiesings@mnet-mail.de.

Von Harald Hettich/Michaela Schmid

Artikel vom 15.03.2012
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