Kolumne „Philipp auf der Insel“: Mitschüler Ebrahim hat einen Plan

München · Laufen für den guten Zweck

Ebrahim und Philipp. F.:phil

Ebrahim und Philipp. F.:phil

Begeistert von dem Plan seines syrischstämmigen Mitschülers Ebrahim, einen gesponserten Marathon für das geplagte Land zu laufen, starten Philipp und sein Freund einen offiziellen Spendenlauf in Lancaster.

Goodbye Germany, England we’re coming

„I have a dream.“ Wer hätte gedacht, als Martin Luther King mit diesen vier Worten der Welt seine überzeugte Hoffnung bekannte, dass dieser Ausdruck seines Gefühlszustandes der Ewigkeit gehören sollte. Diese vier Worte Martin Luther Kings wurden ein geflügeltes Wort der ganzen Welt. Genau diese elf Zeichen habe ich mir als kraftvolles Motto genommen, als ich im letzten Juni für mich selbst die Entscheidung getroffen habe: „Es ist mein Traum, nach England zu gehen. I have a dream today!“ Ich habe mir ausgemalt, wie es auf der Insel werden würde. Und die Wunschvorstellung wurde übertroffen! Nach zwei Monaten glaubte ich jetzt zu wissen, wie hier der Hase läuft. Falsch gedacht Philipp! – man weiß niemals, was einen erwartet. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich lebe meinen Traum nicht mehr allein als Austauschschüler, sondern verwirkliche innerhalb meines Traumes eine Vision gemeinsam mit der Bevölkerung von Lancaster und wenn möglich mit der Welt. Meine nachfolgenden Tagebucheinträge zeichnen meinen Weg der letzten zwei Wochen nach und lassen an der allgemeinen Vernunft zweifeln. Hier der Beginn eines langen Marsches in der ersten Woche.

2. März 2012

Ich treffe mich wieder mit meinem Freund Ebrahim zum Kaffee in der Innenstadt. Er erzählt mir heute ausführlich über die momentane Situation in seiner Heimat Syrien und was seine Verwandten hastig in unterbrochenen Anrufen melden. Die Umstände werden zunehmend aussichtsloser für die Bevölkerung, und Ebrahim wirkt außerordentlich mitgenommen. Zwischen Geschichten, Bildern und Kopfschütteln erwähnt er, dass er seit drei Monaten täglich hart trainiert, um für sein Land einen gesponserten Marathon zu laufen. Seine Idee, den Schock über das Geschehen in hilfreiche Kraft umzuwandeln, überzeugt mich und ich sage ihm meine volle Unterstützung zu.

4. März 2012

„Was wäre erst möglich, wenn wir versuchen würden, das Größte aus der Idee zu machen?“ Diese Frage stelle ich Ebrahim, heute. Dass wir uns so früh am Sonntag getroffen haben, stellt sich nach fünf Stunden Brainstorming und entsprechend viel Kaffee doch als Vorteil heraus. Aus einer Idee ist eine Vision geworden: Wir rufen in der ganzen Region eine Bewegung für die leidenden Menschen in Syrien ins Leben und steuern auf einen offiziellen Spendenlauf in der Stadt Lancaster zu. Wir möchten alle Kräfte in Bewegung setzen, so viele Menschen wie möglich in diese Antwort für Mitmenschlichkeit zu involvieren. Voller Euphorie machen wir uns sofort daran, ein komplettes Konzept für „Together We Can – For Syria“ aufzustellen. Die Vision ist geboren und morgen geht es gleich los, denn wir haben einen aggressiven Zeitplan: Der Lauf, der die Menschen aus der ganzen Region verbindet, soll Ende April stattfinden. Die Menschen in Syrien haben schon zu lange gewarten.

5. März 2012

Die Woche beginnt und mit ihr ein neues Kapitel meiner Zeit in England. Zwischen den Schulstunden gibt es jetzt nur noch ein Thema: Together for Syria. Ebrahim hat die ganze Nacht ausführlich nachgedacht, sodass heute schon das Kern-Team die ersten Dinge bespricht, ein gutes Dutzend entscheidender Personen (Schulleiter, Mayor von Lancaster, Hilfsorganisationen, Pfarrer…) kontaktiert, und kreativ um einen Laptop stehend, eine Powerpoint-Präsentation des Projektes entwirft. Die Vision setzt sich in Bewegung!

6. März 2012

Ebrahim, Joe, Sean, Jordan und ich verbringen heute mehr Zeit auf den Gängen als im Unterricht. Die erste Besprechung haben wir bereits bei Morgengrauen mit unserem Schulleiter Mr. Graham, der vom Projekt beeindruckt ist, jedoch zögert, uns alle „Assemblies“ (Morgendliche Versammlung der Jahrgänge) der kommenden Woche für die Präsentation des Projektes zur Verfügung zu stellen. Nach zehn Minuten lenkt er ein, greift zum Telefonhörer und bläst sein komplettes eigenes Programm ab. Jetzt sprudelt der Tatendrang geradezu: Die Verantwortlichen lassen uns nicht nur freie Hand, sondern fragen, wie sie selbst Teil der Bewegung werden können. In unserem letzten „Appointment“ erreicht mich eine besondere E-Mail: Wir haben das Treffen beim Mayor sicher.

9. März 2012

Heute haben wir gleich zwei Besprechungen, die entscheidend für die Größe des Projektes sind: Mit dem Pfarrer und dem Bürgermeister von Lancaster. Wir sind eingespielt wie ein Fußballteam im WM-Endspiel: Wir wissen, wie der andere läuft, wissen uns die Bälle blind zuzuspielen und die Pässe zu verwandeln. Pfarrer Joel Love nimmt das Projekt in seine Monatsplanung auf und ermöglicht uns, diese Aktion der Gemeinde gleich am nächsten Sonntag vorzustellen. Mayor Paul Woodruff macht Gebrauch von seiner Freiheit und sichert uns die offizielle Zustimmung und Unterstützung der Stadt zu. Was für ein Tag – der Traum läuft! Mit Obama rufen wir: „Yes we can!“

Artikel vom 15.03.2012
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