Mitmachmärchenstunde für Jung und Alt im Bildungslokal

Neuperlach · Skywalkers Reise

Geschichtenbaumeisterin Helga Gruschka zieht alle Teilnehmer in ihren kreativen Bann.	Foto: bus

Geschichtenbaumeisterin Helga Gruschka zieht alle Teilnehmer in ihren kreativen Bann. Foto: bus

Neuperlach · »Und als der König die durchgetanzten Schuhe sah, glaubte er der jungen Frau und...«. Mucksmäuschenstill sind die Fünftklässler der Wilhelm-Röntgen-Realschule und die älteren Zuhörer im Bildungslokal am Peschelanger 8. Alle lauschen gebannt der Märchenerzählerin Helga Gruschka.

Doch mit dem klassischen Ende »Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute«, das alle begeistert laut mitsprechen, ist die Erzählwerkstatt noch lange nicht zu Ende. Hier geht es für Jung und Alt nicht nur ums Zurücklehnen und Zuhören, sondern darum, selber Geschichten zu erfinden, gemeinsam kreativ zu sein und zusammen Spaß zu haben. »Storytelling« heißt die Technik des Erzählens auf Neudeutsch, die Helga Gruschka ihren Zuhörern vermittelt. Sie versteht sich nicht nur als Märchentante, sondern nennt sich zu Recht Geschichtenbaumeisterin. Im Rahmen des »Europäischen Jahrs des aktiven Alterns und der Solidarität zwischen den Generationen« hat die Leiterin des Bildungslokals Mareike Ziegler eine Erzählwerkstatt für junge und alte Neuperlacher auf den Weg gebracht. Fünf kostenfreie Termine finden in unterschiedlichen Begegnungsstätten des Stadtteils im nächsten halben Jahr statt.

»Ich bin positiv überrascht, wie gebannt meine Klasse dem Märchen zugehört hat«, sagt Sportlehrer Roger Bouc, der sich als Bildungsbeauftragter seiner Schule für den generationsübergreifenden Geschichten-Workshop begeistern ließ. »Sonst sind meine Schüler oft unruhig und zappelig.« In der Erzählwerkstatt war jedoch die Konzentrationsfähigkeit der Schüler kein Problem. Denn Helga Gruschka versteht es, Zuhörer jedes Alters in ihren Bann zu ziehen. Doch nur passiv zuhören und sich in die Welt der Märchen einspinnen lassen ist für die Geschichtenbaumeisterin von gestern. Ihr geht es darum, die Technik des Erzählens zu vermitteln und die Teilnehmer zum Mitmachen und Lernen zu motivieren. Deshalb folgt nach der kleinen Märchenstunde das Geschichtenerfinden. Auf einem Handzettel, den die Erzählmeisterin verteilt, können alle die Theorie der Erzählkunst nachlesen. Es geht um die W-Fragen: Wo? Wer? Was? Wie? und Womit?, einen interessanten Titel und ein gutes Ende der Geschichte. Aber statt Groß und Klein mit einem Bauplan und der mythologischen Struktur zu langweilen, steigt Gruschka lieber direkt in die Praxis ein. Lehrer Bouc darf die erste Erzählkarte aus dem Geschichtenbaukasten ziehen. »Stern« steht auf ihr. Und schon dürfen die Kinder und Erwachsenen ihrer Fantasie freien Lauf lassen. »Lebt jemand auf einem Stern? Wo leuchtet der Stern? Was finden wir auf ihm?«

Die grobe Einteilung in fünf Erzählgruppen von Jung und Alt harmonierte gut und wer sich als Älterer auf die Kinder einlässt, wird überrascht von neuen Gedanken und Assoziationen. Der Prinz, die zweite Erzählbausteinkarte, heißt »Skywalker«, davon sind die Jungen der 5 b überzeugt. Was wird er mit seinem magischen Gegenstand, dem »Sonnentopf« machen? Schon haben die ersten drei Gruppen den Anfang der Fantasygeschichte erfunden. Helga Gruschka fasst die Bausteine scheinbar mühelos zusammen und formuliert schnell den Beginn einer spannenden Heldenreise. Sie lässt der Kreativität der Teilnehmer freien Lauf, aber die Expertin hat auch interessante Tipps im Repertoire. »Verwendet nicht zu viele Namen in eurer Erzählung«, rät sie beispielsweise. »Wenn man neben der Hauptfigur alle anderen Charaktere mit komplizierten Namen ausstattet, verhaspelt man sich leicht beim Erzählen und stottert dann rum, weil einem der Name nicht mehr einfallen will.« Beziehungen der Figuren untereinander wie Vater, Geliebter oder Tochter merke man sich dagegen sehr gut. Ein Ratschlag, der Kindern und Erwachsenen auch im Alltag helfen kann, wenn einem ein Name nicht mehr einfällt, der eigentlich für das Gesprächs-Gegenüber unwichtig ist. Schnell vergeht die Zeit in der Erzählwerkstatt. Bevor am Ende die Teilnehmer ihr Heldenmärchen oder Fantasyabenteuer vortragen, werden noch prägnante, einfache Bilder zu den einzelnen Kapiteln gemalt. Wie in einer Laterna magica leuchten die Zeichnungen anschließend im Märchenbildkästchen von Gruschka und visualisieren für die Zuhörer, aber auch als Hilfe und roter Faden für die jungen und alten Erzähler, der märchenhaften Sternenreise Skywalkers.

Förderung des Zusammenlebens von Jung und Alt

»Gemeinsam Verantwortung übernehmen«, ist das Motto der Bildungslokal-Leiterin Mareike Ziegler. Im Bildungskontext möchte sie das Zusammenleben und -arbeiten von Jung und Alt fördern. Ein Thema, das auch Bernadette Raschke vom Bezirksausschuss Perlach-Ramersdorf am Herzen liegt: »Letztes Jahr habe ich beim Projekt ›Wissen gegen Snacks› im Jugendtreff Südpol mitgemacht und mir von den Jugendlichen Tipps für den Umgang mit Computer und Internet zeigen lassen.« So freute sich Raschke ebenfalls, als Teilnehmerin der Erzählwerkstatt, dass es gelungen ist, so viele Neuperlacher Partner und Teilnehmer für dieses Projekt zu finden. Denn Ziegler möchte die verschiedenen Neuperlacher Akteure gerne näher zusammenbringen. »Gemeinsames Handeln und Lernen ist ein zentrales Thema für unsere Gesellschaft. Generationsübergreifende Kooperationen erleichtern das tägliche Leben im Stadtteil«, sagt sie. Ein ideales Konzept für Neuperlach mit vielen Kindern und Jugendlichen, oftmals berufstätigen Eltern und nebenan zahlreichen Senioren, die agil und aufgeschlossen sind und Zeit haben.

Die Erzählwerkstatt findet das nächste Mal am 7. März um 14 Uhr in der Werner-von-Siemens-Realschule statt. Weitere Stationen sind am 18. April das ASZ Perlach am Theodor-Heuss-Platz und am 25. Mai der Come In Kinder- und Jugendtreff am Rudolf-Vogel-Bogen 4. Beginn ist jeweils um 14 Uhr. Wer sich dann noch einmal oder zum ersten Mal von der Erzählerin Gruschka inspirieren lassen möchte, kann am 21. Juli die Abschlussveranstaltung im Bildungslokal besuchen. Anmeldung zur Erzählwerkstatt ist unter Tel. 62 83 77 51 im Bildungslokal Neuperlach möglich. bus

Artikel vom 21.02.2012
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