Der Schäfflertanz fand seinen Weg von München nach Aschheim

München · Burschen tanzen seit 1886

Seit einer Woche tanzen die Münchner Schäffler wieder auf Straßen und Plätzen von Stadt und Landkreis.  Foto: ws

Seit einer Woche tanzen die Münchner Schäffler wieder auf Straßen und Plätzen von Stadt und Landkreis. Foto: ws

München · Seit einer Woche tanzen sie wieder – die Münchner Schäffler. Wilhelm Schmid, der erste Vorsitzende des Fachvereins der Schäffler Münchens ist mit dem Auftakt zufrieden und freut sich, dass „trotz des Sauwetters viel Publikum“ gekommen ist.

Münchner Schäffler 2012

In alter Tradition sind die Tänzer in ihren roten Uniformen bis zum Faschingsdienstag in München und dem ganzen Landkreis unterwegs. Sie schwingen ihre buchsbaumgeschmückten Reifen nach jahrhundertealten Figuren, tanzen im typisch hüpfenden Schritt, die Kasperl reißen ihre Possen und begeistern das Publikum bei unzähligen Auftritten.

Wie es seit jeher Brauch ist, sind sie allerdings nur alle sieben Jahre zu sehen. Umso größer ist dann aber die Nachfrage. Der Terminkalender der Schäffler ist entsprechend voll. Bis zu 15 Auftritte am Tag haben sie zu stemmen. Vormittags tanzen sie vor allem in Schulen, später und am Wochenende sind sie bei verschiedenen Firmen, Festen und auf öffentlichen Plätzen zu Gast. Die meisten Tänzer opfern für eine Saison einen Großteil ihrer Freizeit und ihren ganzen Jahresurlaub. „Es gibt kein Wochenende, kein Ausschlafen. Das ist schon anstrengend“, weiß Schmid aus langjähriger Erfahrung. Zumal es mit den eigentlichen Auftritten ja nicht getan ist. Schon Monate vorher muss mit den Proben begonnen werden, damit auch wirklich jede der komplizierten Figuren und Schritte sitzt. Besonders der Reifenschwinger, der zu jedem Tanz zwei Reifen mit vollen Schnapsgläsern kreisen lässt, muss viel üben. Außerdem müssen Termine vereinbart, der Transport organisiert und Uniformen eigens geschneidert werden.

Diesen enormen Zeitaufwand will sich nicht jeder antun. Da verwundert es nicht, dass hin und wieder Engpässe entstehen, zumal, wenn einer der Tänzer ausfällt oder eben nicht für die volle Saison, die ja immerhin sechs Wochen dauert, Urlaub nehmen kann. „Dieses Jahr sind wir aber schon gut besetzt“, beruhigt Schmid. 25 Mann im Alter zwischen 17 und Mitte 50 engagieren sich in der Tanztruppe. Mit einem Bus touren sie die ganze Saison durch München und das Umland.

Am Samstag, 14. Januar, sind sie beispielsweise um 12 Uhr am Münchner Rindermarkt oder um 14 Uhr am Rathausplatz in Unterschleißheim zu sehen. Alle Auftritte der Münchner Schäffler können unter www.schaefflertanz.com eingesehen werden. Unter www.samstagsblatt.de gibt es eine Themenseite mit allen relevanten Informationen zur Schäfflersaison 2012. Es sind auch noch einige Termine frei. Wer also selbst einen Schäfflertanz in seinem eigenem Betrieb oder bei einer Feier sehen möchte, kann sich unter Tel. 55 06 41 58 weiter informieren.

Die Geschichte des Münchner Schäfflertanzes reicht bis ins Jahr 1517, wo nach der Legende in München die Pest wütete. Alles schwebte in ständiger Todesangst und die Bewohner der Stadt verkrochen sich in den Häusern. So kam das gesamte öffentliche Leben und der Handel zum Erliegen. Da kam ein kluger Münchner, so heißt es, auf die Idee, die Menschen durch ein lustiges Schauspiel aufzuheitern. Dieser wackere Bürger gehörte zu der Zunft der „Schäffler“, also zu jenen Handwerkern, die mit der Herstellung von Fässern und ähnlichen Gerätschaften ihr Geld verdienen. Die Schäffler zogen also in Festgewand zum Marktplatz, wo sie mit grün geschmückten Reifen einen Rundtanz aufführten und die „Gretl mit der Butten“, die inzwischen durch den Kasperl ersetzt wurde, trieb ihre Späße. Alles strömte aus den halb ausgestorbenen Häusern und feierte mit der bunten Schar. Bald wurde es, so die Legende, wieder lebhaft in den Straßen und Ordnung und Leben kehrten zurück.

Sicher hat sich der Münchner Schäfflertanz in der langen Zeit seines Bestehens in der Choreographie und in der Kleidung der Tänzer mehrmals verändert, vieles ist aber gleich geblieben. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Schäfflertanz in die heutige Form ausgebaut. Auch das Schäfflerkostüm ist seit 1872 nahezu unverändert. Ursprünglich war der Schäfflertanz nur den unverheirateten Angehörigen des Berufes vorbehalten und sollte sicher auch dazu beitragen, den kargen Lohn der Gesellen etwas aufzubessern. Mit dieser Tradition musste in den 1960ern gebrochen werden. Aus Personalmangel wurden auch verheiratete Schäffler zum Tanz zugelassen. Ab 1970 musste bereits teilweise auf berufsfremde Tänzer zurückgegriffen werden. Seit 1871 wird der Münchner Schäfflertanz von dem im selben Jahr gegründeten Fachverein der Schäffler Münchens organisiert und veranstaltet.

Seit fast 500 Jahren also und seit Gründung des Fachvereins der Schäffler in immer der gleichen Form wird der Schäfflertanz in München aufgeführt und ist aus der Stadt nicht mehr wegzudenken. Auch außerhalb des Sieben-Jahresrhythmus. Er ist fester Bestandteil der Oktoberfesteröffnung und ist alle zwei Jahre beim Brauertag auf dem Viktualienmarkt zu sehen. Im Turm des neuen Rathauses ist jeden Tag das Glockenspiel zu hören. Auch hierzu drehen sich die Schäffler, wenn auch nicht in Fleisch und Blut. Von Quirin Schartner

Artikel vom 12.01.2012
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