Ackermannbogen: Über 200 Anwohner gegen Baumfällungen

Schwabing · Schriftlicher Protest

Über 200 Anwohner sind gegen die Baumfällungen: Helga Herbst, Alicia Bilang, Martina Sadoni und Heidrun Eberle (v. l.) mit den Unterschriftenlisten.	Foto: scy

Über 200 Anwohner sind gegen die Baumfällungen: Helga Herbst, Alicia Bilang, Martina Sadoni und Heidrun Eberle (v. l.) mit den Unterschriftenlisten. Foto: scy

Schwabing · Rücken eines Tages wieder Baumfäller an? Einen Teil der Bewohner des Ackermannbogens treibt diese Frage um. Allein: Die Antwort kennen sie nicht.

Leben am Ackermannbogen

Denn die jüngste Erfahrung hat sie gelehrt, dass alte Bäume gefällt werden – obwohl, wie sie sagen, von der Stadt München anders versprochen. »Die Bäume sind weg, das Vertrauen ist weg«, sagt Alicia Bilang vom Quartiersverein »Ackermannbogen« Ein Protestschreiben mit weit über 200 Unterzeichnern, das an das Kommunalreferat und an Oberbürgermeister Christian Ude geschickt wurde, zeigt, wie groß der Unmut ist. »Es darf nicht munter weiter gerodet und ohne Not gefällt werden«, so Bilang. Und falls Fällungen unbedingt notwendig seien, »dann wünschen wir uns eine vorherige Absprache«. Man wolle sich »nicht partout querstellen«, doch informiert sein, mitreden können. »Es geht uns darum, ernst genommen zu werden«, formuliert es Martina Sadoni, die mit ihrer Familie seit sieben Jahren am Ackermannbogen wohnt. Und Anwohnerin Helga Herbst fügt hinzu: »Mir erschließt sich nicht, warum man so mit uns umgeht.«

Es herrschen Empörung und Ratlosigkeit. Noch im Juni 2011 herrschte eine ganz andere Stimmung. Damals fand ein vom Baureferat organisierter Workshop zur »Urbanen Mitte« für den Ackermannbogen statt. Daran beteiligt waren unter anderem Anwohner, der Bezirksausschuss Schwabing-West (BA 4), die im Norden und Süden angrenzenden Bauträger und Vertreter städtischer Referate. »Es hieß, wir können unsere Ideen einbringen, man wolle unsere Vorstellungen berücksichtigen«, berichtet Bilang. Über den noch vorhandenen Baumbestand sei hierbei ausführlich diskutiert worden. Man habe sich schließlich darauf geeinigt, den Bestand unangetastet zu lassen, bis eine neue Planung vorliegt, die weitere Baumaßnahmen auf dem noch nicht fertig bebauten Areal nach sich zieht.

Was allen klar ist: Das ehemalige Kasernengelände ist als belastet einzustufen, eine Entmunitionierung unbedingt erforderlich. »Wir hatten die feste Zusage, dass bei allen weiteren Maßnahmen nur das absolut Notwenige gefällt würde«, so Heidrun Eberle von der Nachbarschaftsbörse Ackermannbogen. »Doch nun haben wir den Eindruck, dass mehr Bäume gefällt wurden als unbedingt notwendig.« Die Empfehlung für die Objektplanung sei gewesen, möglichst viele Bäume zu erhalten. Der Standraum der Esche beispielsweise sollte nicht versiegelt werden. Als Mitte August schließlich Bäume gefällt wurden, war das Entsetzen, wie Alicia Bilang sagt, groß. »Wir konnten gar nicht fassen, was wir sahen«, erzählt sie. Es seien unter anderem auch Bäume gefällt worden am zukünftigen Stadtplatz, der als »Grüner« Platz gedacht ist und in weiten Teilen nicht versiegelt werden soll. »Zur Rodung bestand augenblicklich keine Not«, bestätigt auch Elisabeth Hollerbach, Vorstand der Wohnbaugesellschaft »wagnis eG«. Abgeholzt wurden insgesamt neun standortheimische Laubbäume, unter anderem Rotbuchen und Bergahorn-Bäume. Inzwischen fielen rundherum weitere elf Bäume.

»Wir werden an der Nase herumgeführt«

»Wozu bitteschön findet ein Workshop mit Bürgerbeteiligung statt, wozu werden Vereinbarungen getroffen, die dann doch nicht eingehalten werden«, fragt sich Martina Sadoni jetzt. »Wir werden hier böse an der Nase herumgeführt.« Helga Herbst meint: »Man redet mit uns nicht offen, weil man unseren Protest fürchtet.« Dabei seien sie keine »fanatischen Umweltschützer«, sondern für entsprechende Argumente jederzeit zugänglich. Man könne Kompromisse eingehen, nicht um jeden Preis allerdings. »Natürlich soll unser Viertel so lebenswert wie möglich sein. Dazu gehören auch Bäume, die die Umgebung nicht nur optisch aufwerten, sondern auch wichtig sind für den gesamten Lebensraum«, so Bilang. »Wir wünschen uns deshalb für die Zukunft, dass möglichst viele von den bestehenden Bäumen erhalten bleiben und an den erforderlichen Stellen entsprechend nachgepflanzt wird.«

Stadtdirektor Axel Markwardt vom Kommunalreferat kann nicht verstehen, dass sich Unmut regt. In einem Schreiben vom 20. Oktober an die Bürger am Ackermannbogen nimmt er Stellung und erläutert die Hintergründe der Baumrodungen. Man habe auf keinen Fall willkürlich gehandelt. »Um den Zeitplan der Baugrundvorbereitungen einhalten zu können, genehmigte die Untere Naturschutzbehörde am 02.02.2011 auf Antrag des Kommunalreferats die Baumfällungen im Bereich südlich der neuen Grünflächen«, so Markwardt. Auch alle anderen Fällungen seien nur mit Genehmigung erfolgt, um eine »zeitgerechte Baugrundvorbereitung zur Realisierung des bereits rechtsverbindlichen Bebauungsplanes« zu gewährleisten. Würde man abwarten, bis das Baureferat seine endgültige Gestaltung zur »Urbanen Mitte« vorlege, Markwardt zufolge nicht vor 2013, würde sich die notwendige Schaffung von Wohnraum um mindestens eineinhalb Jahre verzögern. Was, so der Stadtdirektor, »weder in Ihrem noch in unserem Interesse sein kann«. In Aussicht stellt Markwardt, dass das Kommunalreferat »auch künftig nicht leichtfertig« Bäume fällen werde.

Weitere Fällungen nicht zu vermeiden

Doch um auch weiterhin den Zeitplan einhalten zu können, werde es unvermeidbar sein, weitere Bäume zu fällen. Ob und in welchem Umfang künftig Ersatzbäume in der »Urbanen Mitte« gepflanzt werden, liege nicht im Ermessen des Kommunalreferats. »Dies hängt ausschließlich vom Gestaltungsplan für diesen Bereich ab«, so Markwardt. Und letztlich sei ja schließlich wie gefordert die Esche und deren Standraum erhalten worden.

Glücklich ist man mit dieser Antwort nicht. »Natürlich wollen wir keine Baumaßnahmen blockieren, doch wir sind weiterhin davon überzeugt, dass die meisten Bäume nicht hätten gefällt werden müssen«, sagt Bilang. Es werde doch nur die Verantwortung zwischen den Referaten hin- und hergeschoben, meint Heidrun Eberle. »Doch letztlich fühlen wir uns nur wieder in unserer Ohnmacht bestätigt.« Man habe wiederholt darauf hingewiesen »frühzeitig Bürgerwünsche mitzubedenken«. Doch wozu Wünsche formulieren, die dann doch keiner hört? Wozu an Workshops teilnehmen, deren Ergebnis kaum oder keine Beachtung findet? »Hier im Ackermannbogen gibt es viel bürgerschaftliches Engagement«, berichtet Bilang. »Immer mehr Leute aber sind inzwischen frustriert. Die Bereitschaft, sich zu engagieren, wird immer weniger. Das kann doch nicht das Ziel sein, oder?« Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 08.11.2011
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