Flughafenausbau: Innenminister stößt auf harte Kritik

Erding · „Ein Schlag ins Gesicht“

Begrüßt wurde Innenminister Joachim Herrmann von Max Gotz und Ulrike Scharf, umringt von 400 schweigenden  Demonstranten.	Foto: bb

Begrüßt wurde Innenminister Joachim Herrmann von Max Gotz und Ulrike Scharf, umringt von 400 schweigenden Demonstranten. Foto: bb

Erding · Bayerns Innenminister Joachim Herrmann musste stellvertretend für die Regierung von Oberbayern nicht nur den stummen Protest der knapp 400 Demonstranten gepaart mit dem Fluglärmgenerator vor dem Erdinger Weißbräu ertragen.

Erweiterung des Flughafen Münchens im Erdinger Moos

Auch von seinen CSU-Parteifreunden bekam er beim Auftritt vor der Mittelstandsunion scharfe Kritik zu hören. An vorderster Front gegen die Entscheidung zur dritten Startbahn Bürgermeister Max Gotz, Landrat Martin Bayerstorfer und CSU-Stadtrat Burkhard Köppen. Vor dem Weißbräu hatten sich fast 400 Demonstranten des „Aktionsbündnisses AufgeMUCkt“ sowie zahlreiche Bürgerinitiativen mit Fahnen, Schildern und Transparenten versammelt. Aus Wut und Frust, dass der Regierung von Oberbayern selbst über 80.000 schriftliche Widersprüche zu wenig sind, beschloss man, mit dem Minister nicht zu sprechen. AufgeMUCkt-Sprecherin Helga Stieglmeier freute sich, dass trotz der kurzfristigen Aktion so viele Startbahngegner gekommen waren. „Wir sind einfach nicht mehr bereit, Feigenblatt für einen Scheindialog zu sein. Wir reden seit vier Jahren und werden nicht gehört!“ Über Horst Seehofers Einladung, gemeinsam in die Planung einzutreten, könne sie nur lachen: „Sollen wir nun darüber diskutieren, ob die Startbahn rot, grün oder gestreift ist?“

Herrmann schritt dann wie ein Showstar, flankiert von zwei Bodyguards, die Lange Zeile entlang, Tumulte, Eier- oder Tomatenwürfe wie noch gegen CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt in München gab es nicht. AufgeMUCkt-Sprecher Hartmut Binner erklärte dem Minister kurz und knapp: „Der Dialog ist abgebrochen. Wir sprechen nicht!“ Als sichtbares Zeichen der Verärgerung hatten sich viele Demonstranten den Mund mit Pflaster oder Klebeband zugeklebt. So hörte der Innenminister zunächst nur den Fluglärmgenerator und meinte: „Ich nehme das Ende des Dialoges zur Kenntnis, wenn er auch nicht gewünscht ist! Auch das liegt in der Meinungsfreiheit des Einzelnen.“ Als er sich dann in den Erdinger Weißbräu zu seinem Vortrag „Verkehrsinfrastruktur – Bedeutung für den Mittelstand“ begab, wurden die Demons­tranten schon noch laut. Mit einem Trillerpfeifenkonzert und „Abwählen“-Rufen verabschiedeten sie Herrmann.

Wenn er sich dort auf eine friedliche Veranstaltung gefreut hatte, wurde er jedoch bitter enttäuscht. Jetzt musste sich der Innenminister geballte Kritik aus den eigenen Parteireihen anhören. Noch moderat eröffnete Ulrike Scharf, Kreisvorsitzende der CSU-Mittelstandsunion, mit den Worten, dass sie für die Demo vor dem Gasthof vollstes Verständnis habe. „Ich bin ebenso wie die Kreis-CSU gegen den Flughafen-Ausbau. Ich wohne in Maria Thalheim und weiß, was es heißt, wenn die Flieger im Minutentakt über einen hinweg donnern.“ CSU-Stadtrat und Kreisvorstandsmitglied Burk­hard Köppen schimpfte schon schärfer: „Vor allem für uns Kommunalpolitiker ist es ein Schlag ins Gesicht, wenn die Regierung von Oberbayern im Planfeststellungsbeschluss zu dem Ergebnis kommt, die Bodeninfrastruktur sei sogar nach dem Bau der dritten Bahn in Ordnung! Wie kann man zu einem solchen Ergebnis kommen?“ Nach Köppens Ansicht wurde das am Schreibtisch ohne jede Ortskenntnis entschieden.

Erdings Bürgermeister Max Gotz war der nächste: „Im Jahr 1992 hat man uns den Flughafen vor die Nase gesetzt. Seither gibt es keine schlüssige Antwort bezüglich der Erschließung und Verbindung des Umlandes mit dem Flughafen. Für uns und die CSU hier in der Stadt sowie im Landkreis Erding geht es da doch um Glaubwürdigkeit – von jedem Bauherrn erwarten wir, dass er vor seinem Projekt die Erschließung klärt, nur der riesige Flughafen muss das nicht!“ Dem Protest in der Langen Zeile sprach er seine Anerkennung aus, dass es sich um eine stille und stilvolle Aktion gehandelt habe. Mit einem Schmunzeln konnte er sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass die Politiker auf gewissen politischen Ebenen von den Kommunalpolitikern lernen könnten, wie man sich mit kritischen Situationen auseinandersetzt und in diesen agiert. Gotz führte aus, dass Erding weiter wachsen werde, also benötige die Stadt eine Infrastruktur, die die Entwicklung Erdings nicht verbaue. „Daher sind wir eindeutig für die Nordeinschleifung der S-Bahn. Es kann doch nicht sein, dass wir einen Zugverkehr bekommen, der die Stadt komplett von Süden bis Norden durchschneidet – und das ohne einen Meter Tunnel, wie es FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil will.“

Innenminister Herrmann gab Gotz hier eindeutig recht: „Wir können nicht nur auf das Geld schauen, sondern auch auf eine für die Stadt verträgliche Lösung. Denn schließlich geht es hier um ein Projekt für die kommenden Jahrzehnte.“ Auch Landrat Martin Bayerstorfer warnte den Minister und die CSU vor einem massiven Verlust an Glaubwürdigkeit: „Der Flughafen darf scheinbar grenzenlos wachsen, während sich die Menschen in der Region fragen: ‚Und was ist mit uns?‘ Das machen die Erdinger nicht länger mit!“ Herrmann beteuerte, sich bei der Verkehrsproblematik einsetzen zu wollen: „Mir ist es egal, was im Planfeststellungsbeschluss steht. Es ist offensichtlich, dass hier bei Straße und Schiene großer Nachholbedarf besteht.“ bb

Artikel vom 05.08.2011
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