Erdinger Nordumfahrung scheidet die Geister

Erding/Riedersheim · Sinnvoll oder Unsinn?

Die Langengeislinger Gegner der Nordumfahrung befürchten eine deutliche Zunahme des Verkehrs in ihrem Ort bei gleichzeitiger Naturzerstörung. 	Foto: bb

Die Langengeislinger Gegner der Nordumfahrung befürchten eine deutliche Zunahme des Verkehrs in ihrem Ort bei gleichzeitiger Naturzerstörung. Foto: bb

Erding/Riedersheim · Obwohl es schon die dritte Veranstaltung über die Erdinger Nordumfahrung war, so bleibt das Inte­resse der Bevölkerung doch ungebrochen groß. Über 200 Bürger, inklusive zehn Bürgermeister, fanden sich beim „Prostmeier“ in Riedersheim ein. Der Landkreis will die „Trasse Süd 2“, doch im Moment wird er durch kürzlich entdeckte, bedrohte Tierarten gebremst.

Landkreis Erding: Nordumfahrung

Die Gegner der Nordumfahrung – vor allem aus Langengeisling und Bockhorn – bezweifeln die versprochene Entlastung, befürchten stattdessen eine massive Zunahme des Verkehrs in ihrer Heimat. Landrat Martin Bayerstorfer fasste noch einmal die aktuelle Planung zusammen. Demnach befinde man sich voll im Zeitplan, von ursprünglich einmal sieben möglichen Trassen seien jetzt noch zwei übrig. „Als Ergebnis der Umweltverträglichkeitsstudie liegt unsere Präferenz auf der etwas nördlicheren ,Trasse Süd 2‘, allerdings können wir jetzt keine endgültige Entscheidung dafür treffen, wie ich es vorhatte.

Erst müssen wir abwarten, was die jüngsten Funde der vom Aussterben bedrohten Tierarten konkret bedeuten und ob die Süd-Trassen genehmigungsfähig sind.“ Die Trasse Süd 2 habe bei den intensiven Umweltverträglichkeits-Untersuchungen leicht die Nase vorn, da sie weniger Flächen mit sehr hoher Ertragsfähigkeit beanspruche, weniger hoch frequentierte Naherholungsflächen der Bevölkerung betreffe und weniger Reviere von gefährdeten oder vom Aussterben bedrohte Vogelarten beeinträchtige. „Die Nordumfahrung Erdings ist die wichtigste Maßnahme zur Verkehrsentlastung im Landkreis.

Angesichts des prognostizierten Wachstums der Bevölkerung und der Wirtschaft am Flughafen sind wir in der Pflicht zu handeln.“ Da die neue Straße aber natürlich auch eine Belastung bedeute, wolle Bayerstorfer alle Kritiker zu Wort kommen lassen und werde diese Einwände sehr ernst nehmen. „Vor allem die Stadt Erding wird entlastet, wir wollen aber genau wissen, wer wo belastet wird“, forderte der Landrat auf zur aktiven Bürgerbeteiligung.

Peter Weywadel, Chef des Straßenbauamts Freising betonte, dass die drei Trassen Nord, Mitte und Süd in der engeren Auswahl waren, aber nur die beiden Südvarianten die beabsichtigten Ziele erreichen können. „Uns war immer klar, dass wir hier bei Süd 2 oder 3 massiv in die Pflanzen- und Tierwelt eingreifen werden. Nun geht es darum, Ausgleichsmöglichkeiten zu finden.“ Unterm Strich schneide die Streckenführung der Variante Süd 2 deshalb besser ab, weil man die Eingriffe durch Maßnahmen besser ausgleichen könne. Beide Süd-Trassen beginnen in Unterstrogn, führen nördlich an Langengeisling vorbei und münden am Mittleren Isarkanal in die Flughafentangente Ost.

Stefan Marzelli von „ifuplan“, dem Institut für Umweltplanung, Landschaftsentwicklung und Naturschutz, das die Umweltuntersuchung durchgeführt hatte, machte deutlich, dass viele Tierarten gefunden wurden, die auf der Roten Liste stehen oder die sehr selten geworden sind: Wechselkröte, Großer Brachvogel, Feldlerche, Fledermäuse, Tagfalter und Libellen. „Diese Vorkommen und ihre Lebensräume können im Genehmigungsverfahren zu einem großen Problem werden.“ Trotz aller Belastung der Menschen durch Abgase, Lärm oder der Bebauung von Erholungsflächen gelangte Marzelli zu dem Ergebnis, dass die Entlastung durch die Nordumfahrung neue Belastungen klar übersteige. „Etwa 1300 Bürger spüren eine Entlastung, 120 müssen eine neue Belastung ertragen - für 9800 Menschen ändert sich nichts. Vor allem die Stadt Erding wird massiv entlastet.” Weywadel ergänzte, dass die Süd-Trasse wohl die bessere Lösung sei, weil vor allem der Effekt der Verkehrsentlastung für sie sprächen. Der Straßenbauamts-Leiter machte aber auch deutlich, dass man nun erneut eine Feldkartierung sowie ein Vegetationsgutachten benötige - was ein weiteres Jahr dauern werde – wenn der Kreistag nach der Sommerpause einen entsprechenden Auftrag beschließt.

„Die gesamte Nordumfahrung ist ein totaler Unsinn. Es gibt eine Planung für die Umgehung von Wartenberg zum Flughafen und eine von Erding zum Flughafen – aber kein Gesamtkonzept, wie man weniger Verkehr erzeugt und Natur zerstört”, schimpfte Hartmut Wittig. „Die Umfahrung wird 50 Millionen Euro kosten – doch ohne gleichzeitigen Ausbau der Nordanbindung von Erding parallel zur Alten Römerstraße wird es gar keine Entlastung von Erding geben, statt dessen eine Zunahme des Verkehrs in Erding um 20 Prozent.“ Wittig vertritt etwa 15 engagierte Bürger aus Langengeisling und Bockhorn, die seit Jahren gegen die Planung argumentieren, „aber das will doch im Landratsamt keiner hören.” Bockhorns Bürgermeister Hans Schreiner stellte ebenfalls das gesamte Projekt in Frage. „Ich glaube nicht, dass die erhoffte Verkehrsreduzierung eintritt, nicht einmal in Erding.“ Schreiner schlug vor, lieber auf die B388-Südostumfahrung der Herzogstadt zu setzen. Bayers-torfer antwortete, dass diese Verlegung in weiter Ferne liege und niemand sagen könne, ob der Bund das bezahlt.

Die Bedenken der Langengeislinger lassen sich neben dem Bestreben, Natur und Naherholungsflächen im Norden Erdings zu erhalten, in der Sorge zusammenfassen, eines Tages die Nordumfahrung vor der Tür zu haben, während die Nordanbindung als Parallele zur Alten Römerstraße nicht gebaut wird. Befürchtet wird in diesem Fall eine rapide Zunahme des Zubringerverkehrs zur ED 99 – mitten durchs Dorf. „Ohne unsere Enteignung wird es keine Nordumfahrung geben“, fasste es einer am Ende der vierstündigen Sitzung zusammen. bb

Artikel vom 28.07.2011
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