Planungen zum Hauptbahnhof-Neubau sind hart umkämpft

Zentrum · Visitenkarte der Stadt

Laut CSU-Stadtrat Richard Quaas muss man sich für das Hauptbahnhofgebäude schämen: »Architektonisch ist das hier gar nichts.« 	Fotos: scy

Laut CSU-Stadtrat Richard Quaas muss man sich für das Hauptbahnhofgebäude schämen: »Architektonisch ist das hier gar nichts.« Fotos: scy

München/Zentrum · In Sachen neues Hauptbahnhofgebäude hat die SPD-Fraktion des Münchner Stadtrates jetzt den Antrag gestellt, dass Oberbürgermeister Christian Ude die Verantwortlichen der Bahn erneut zu einer Sitzung einlädt.

Der Münchner Hauptbahnhof, die Visitenkarte der Stadt

»Wir wollen eine qualifizierte Präsentation und nicht, dass sich die Verantwortlichen wieder im Gespräch verweigern«, sagt SPD-Fraktionschef Alexander Reissl. André Zeug, Vorstandsvorsitzender der DB Station & Service AG, wurde in der Stadtratssitzung im Mai ausgebuht, als er keine Fragen beantwortete und die Dikussion um das neue Bahnhofsgebäude für beendet erklärte. Bei einer neuen Gelegenheit zum Gespräch wolle man nun einen Dialog führen, sagte Reissl.

Auch die CSU hat einen neuen Antrag gestellt: Die Partei bittet den Oberbürgermeister, sich mit der Bahn in Verbindung zu setzen, um einen Vergleich der Entwürfe zu klären. Die Grünen im Stadtrat warten indes zurzeit auf die Olympia-Entscheidung, »weil danach klarer ist, wohin die Reise gehen kann«, sagt Paul Bickelbacher von den Stadtrats-Grünen und Mitglied des Bezirksausschusses Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt (BA 2). Allerdings habe seine Partei »wenig Hoffnung, dass sich die Bahn hier kooperativ verhält«. Für Bickelbacher steht fest, dass viel von der Entscheidung für oder gegen die Olympischen Spiele und der damit verknüpften Finanzierungsmöglichkeit für den zweiten Tunnel abhänge. »Ohne Olympia und Tunnel ist mehr Zeit für eine sorgfältige Planung, besteht aber auch die Gefahr, dass vorerst nichts passiert.« Wichtig sei, dass in jedem Fall der Bahnhofsplatz neu gestaltet und weitgehend vom privaten Kfz-Verkehr befreit werde.

Nach Ansicht des Diplom-Geographen und Verkehrsplaners Paul Bickelbacher hört der Entwurf der Bahn »an der Gebäudekante zu denken auf«, obwohl gerade die Platzbereiche rundherum derzeit größere Defizite aufweisen als das Gebäude, das zurzeit im Wesentlichen seine Funktion erfülle. Der sogenannte funktionale Neubau der Bahn weise funktionale Schwachstellen hinsichtlich der Zugänge zur alten S-Bahn-Stammstrecke bei den Zugängen zur U4/5 auf. Bickelbacher bemängelt außerdem, dass sich die Bahn auch einem Provisorium für eine Fahrrad-Service-Station im derzeit leerstehenden Starnberger Flügelbahnhof verweigere, in dem in Doppelstockparkern zirka 800 Fahrräder Platz hätten. Stattdessen hat die Bahn laut Bickelbacher dort eine Spielhalle beantragt, »die ihr bisher baurechtlich verwehrt werden konnte«. Für Alexander Reissl zählt beim neuen Bahnhof, dass etwa die Wege zwischen Bahn und U- und S-Bahn logisch und ausreichend bemessen seien. »Damit eine Menschenmenge sich nicht schiebt und wogt.« Für CSU-Stadtrat Richard Quaas lässt die Optik des Bahnhofsgebäudes zu wünschen übrig: »Man muss sich schämen für unseren heutigen Hauptbahnhof. Völlig belanglos. Architektonisch ist das hier gar nichts.«

25 Jahre »neues Gesicht« gefordert

Bereits seit 25 Jahren gibt es Forderungen nach einem »neuen Gesicht« für den Hauptbahnhof. Es gab Entwürfe, Pläne, Wettbewerbe, Versprechungen. Realisiert wurde kaum etwas, beziehungsweise Vorhaben auf halbem Wege abgebrochen. Und auch bei der jüngsten Debatte im Stadtrat hat sich die Bahn mit ihrem Vorhaben nicht gerade neue Freunde gemacht.

»Kein Redner aus dem Stadtrat hat auch nur ein gutes Wort für die Planungen und die Art des Verfahrens gefunden«, berichtet Quaas. »Es war ein völliges Debakel für die Deutsche Bahn.« Kein Wunder, dass die Gemüter hoch kochen. Denn eigentlich sollten ganz andere Pläne umgesetzt werden. Die Architekten Auer + Weber erhielten 2006 nach einer Wettbewerbsausschreibung den Zuschlag. Ihre Pläne: ein futuristischer Gebäudekomplex mit einer siebenstöckigen Glasfassade. Kostenpunkt: 350 Millionen Euro. Das aber soll der Bahn nun zu teuer sein.

Laut DB-Plänen soll nun ein »funktionaler Neubau« entstehen, entworfen von internen Architekten in Berlin. Baukosten: 300 Millionen Euro. »Diese Architektur ist ein großer Rückschritt gegenüber dem Entwurf von Auer + Weber. Mit dem Aus für dessen Neubau setzt die Bahn ihre merkwürdige Planungs-, Bau- und Informationspolitik fort«, wettert Quaas. Auch Stadtrat Georg Schlagbauer (CSU) ärgert sich: »Dem Konzern scheint München nicht sehr am Herzen zu liegen«. Und das, obwohl der Münchner Hauptbahnhof zu den größten Bahnhöfen Deutschlands zähle. Mit rund 400.000 Reisenden und Besuchern und bis zu 2.000 Zughalten täglich. »Ein Bahnhof ist die Visitenkarte der Stadt«, so Quaas. »Warum gibt man sich hier nicht ähnlich viel Mühe wie mit unserem sehr gelungenen Flughafen? Warum mutet man uns plötzlich diese abgespeckte Variante zu?«

Verzögerungen möglich

Für Paul Bickelbacher bedeutet der sogenannte funktionale Neubau der Bahn »ein Ausscheren aus dem gemeinsam vereinbarten Vorgehen zwischen Bahn und Stadt«. Schließlich gebe es auch eine abgespeckte Planung von Auer + Weber, die geringere Kosten verursacht und modular realisiert werden kann. Bickelbacher befürchtet auch »weitere Verzögerungen«, sollten Auer + Weber gegen die Bahn klagen, da sie als Wettbewerbssieger einen gewissen Anspruch hätten, den Bau auszuführen. Außerdem sollte nach Ansicht Bickelbachers ein »architektonisches Highlight« entstehen, wenn schon neu gebaut werde. »Sonst kann man gleich den bestehenden Bahnhofsbau sanieren«.

»Visitenkarte« der Stadt

Für Reissl ist der Bahnhof »die Visitenkarte und das Wahrzeichen der Stadt«. Und das solle die Bahn auch den Münchner gönnen, auch wenn verständlich sei, dass die Bahn mit dem Neubau Geld verdienen wolle. Nach der Fertigstellung 2021 soll der neue Bahnhof laut DB-Plänen auf rund 105.000 Quadratmetern Raum bieten für Büros und Praxen, eine Konferenz- und Hotelnutzung, Gastronomiebereiche, Fachhandel, Flächen für Bundes- und Landespolizei, Lager- und Technikflächen und Bahnservicebereiche.

»Eine Entscheidung zur Verwirklichung des Entwurfs hängt von einem entsprechenden Stadtratsbeschluss sowie von der Finanzierung und der Wirtschaftlichkeit des Projektes ab«, erklärt André Zeug. Die Runderneuerung solle in mehreren Modulen von Mitte 2015 bis 2021 erfolgen. Der erste Schritt sieht den Rück- und Neubau des Ostgebäudes vor. Darauf folgt der Bau der Empfangshalle mit den flankierenden Riegelbauten. Unter der Halle und dem Ostgebäude entsteht zudem das für die zweite Stammstrecke erforderliche Nukleusbauwerk. »Die modulare Bauweise gewährleistet die Sicherstellung des Bahnhofsbetriebes und Schnittstellen zu den Arbeiten zur zweiten Stammstrecke München«, sagt Zeug. »Wir wären dadurch in der Lage, bis Ende 2017 eine Teilfertigstellung zu erreichen, also pünktlich zur Olympiade 2018, falls München die Ausschreibung gewinnt.«

2018 stünde dann der Rohbau des Ostgebäudes mit fertiger Fassade sowie teilweise ausgebauter Empfangshalle zur Verfügung Doch dass es nicht so glatt läuft, wie von der DB gewünscht, zeichnet sich bereits ab. Auer + Weber erwägen eine Klage gegen die DB. »Auch wir haben zuletzt einen abgespeckten Entwurf vorgelegt, mit Baukosten in Höhe von 300 Millionen Euro«, sagt Stephan Suxdorf von Auer + Weber.

Bedarf da, einiges zu verbessern

Die Stadt benennt bereits erste Defizite. Stadtbaurätin Elisabeth Merk: »Wir sehen noch Nachbesserungsbedarf«. Unter anderem seien beim Bahn-Entwurf die U-Bahnen 4 und 5 schlecht angebunden. Auch fehle zur bestehenden S-Bahn-Stammstrecke ein Zugang im Westen. Und der Durchgang von den Gleisen, so bemängelt Merk, sei viel zu eng gestaltet. Ein Aufatmen scheint also erstmal nicht in Sicht. »Das Projekt der DB wird weiterhin besonders kritisch betrachtet werden«, kündigt Quaas an. Kirsten Ossoinig,
Sylvie-Sophie Schindler

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Artikel vom 31.05.2011
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