Öffentliche Erklärung der 1860-Fanszene

„Keine Rettung um jeden Preis“

1860-Fans wollen nicht mehr „gerettet“ werden. Foto: A. Wild

1860-Fans wollen nicht mehr „gerettet“ werden. Foto: A. Wild

München/Giesing · Die aktive Fanszene des von der Insolvenz bedrohten Fußballzweitligisten TSV 1860 München hat sich mit einer bemerkenswerten Erklärung in die Diskussion um die Rettung des Klubs eingeschaltet.

Fanclubs fordern in dem Papier von einer „Rettung um jeden Preis“ abzusehen und verlangen in letzter Konsequenz nach einem Neuanfang im Amateurbereich. Bei den Initiatoren der Erklärung handelt es sich nicht um Arena-Verweigerer der ersten Stunde, sondern um Fans, die kaum ein Spiel ihres Vereins verpassen und seit Jahren Heimspiel für Heimspiel in der Nordkurve stehen.

Hier die Fanerklärung im Original-Wortlaut:

KEINE RETTUNG DES TSV 1860 UM JEDEN PREIS! GENUG IST GENUG!

„Rettet unsere Löwen“ geistert es in den letzten Tagen wieder einmal durch die Gazetten der Landeshauptstadt.

Prominente und solche, die es gerne wären, geben Kommentare ab, wie sie vor X Jahren zum Löwenfan wurden, und dass sie es gar nicht fassen können, dass nun wirklich Schluss sein soll, gefolgt vom wichtigsten Satz: „Dieses Stück Münchner Tradition darf nicht sterben“.

Wären die Damen und Herren, die sich mit dem Löwen brüsten und selbst ins Gespräch bringen, regelmäßige Stadiongänger, wüssten sie, dass der TSV München von 1860 schon längst gestorben ist:

Die Heimspiele vor weniger als 10 000 Zuschauern in der Fröttmaninger Einöde decken schon lange nicht mehr die Kosten der WM-Arena, man hängt am Tropf des ungeliebten Lokalrivalen und hat das letzte Stück Würde, das man als Löwenfan noch hatte, für die erste Rettung im Jahre 2006 an den FC Bayern verkauft – und die nächste Finanzspritze des Stadtnachbarn schwebt bereits wie ein Damoklesschwert über der Grünwalder Straße 114.

Wir fragen uns: Wieso soll der TSV 1860 in seiner jetzigen Form schon wieder gerettet werden?

Die Kreditinstitute von Stadt (Stadtsparkasse München) und Land(BayernLB) haben den Verein als „nicht kreditwürdig“ eingestuft. Zudem findet ein Großteil der aktiven Löwenfans, dass das momentane Gebilde 1860, das an der schäbigen Beatmungsmaschine des FC Bayern hängt, nicht rettungswürdig ist.

Und trotzdem soll mit aller Macht die Rettung erzwungen werden? Wer hat daran das wirkliche Interesse?

Die Antwort ist so einfach wie einleuchtend:

Die Gläubiger!

Sämtliche Mitglieder in den Vereinsgremien, die Geld in den TSV 1860 gesteckt haben und somit ein reges Interesse daran zeigen, den Verein irgendwie durchzubringen – koste es was es wolle. Doch allen voran marschiert wie so oft der FC Bayern. Doch auch dieser nicht mit dem edlen Motiv, ein Aushängeschild des Münchner Fußballs am Leben zu erhalten. Vielmehr geht es schlicht und einfach darum, den TSV 1860 als zahlenden und demütigen Untermieter in der WM-Arena zu erhalten. Bei einem Ausfall des TSV 1860 als Mieter drohen dem Lokalrivalen bis zu 50 Millionen Euro an Mindereinnahmen, welche in dieser Höhe auch dem Branchenprimus schmerzen.

Der TSV 1860 erfüllt im Moment nur einen Zweck: Er pumpt möglichst viele Millionen auf das Konto der Arena GmbH und somit in die Kassen des FC Bayern. Ein Dahinscheiden des Patienten ist deswegen nicht gewünscht. So lange die Kuh noch Milch gibt, wird sie nicht geschlachtet.

Unter diesen Voraussetzungen sagen wir ganz klar NEIN zur erneuten Rettung des TSV 1860.

Der Verein ist am Ende und wird nur noch künstlich am Leben erhalten.

Schuld sind alle, die den Weg Allianz Arena vorbereitet, unterstützt, mitgetragen oder stillschweigend hingenommen haben:

Karl-Heinz Wildmoser als größenwahnsinniger Präsident, der uns schon auf Augenhöhe mit dem FC Bayern sah. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, zu diesem Zeitpunkt jahrelanges Mitglied im Aufsichtsrat, der um jeden Preis das Großprojekt WM 2006 in München haben wollte und dabei seinen Aufsichtsratspflichten schlicht und einfach nicht nachgekommen ist. Die ARGE des TSV 1860, die zu dem Zeitpunkt einflussreichste Fanorganisation, die den Weg WM-Arena stets ohne Widersprüche wie die Lemminge mitgetragen haben (trotz zahlreichem Widerstand aus dem Fanumfeld!) und natürlich Uli Hoeneß als Macher des FC Bayern, dem man aber als einzigen der Genannten keinen Vorwurf machen kann – er hat stets nur die Interessen des FC Bayern verfolgt – und das mit großem Erfolg.

Wir, die Fans des TSV 1860, lehnen eine weitere Rettung mit Millionen aus den Kassen des roten Lokalrivalen grundsätzlich ab.

Wir, die Fans des TSV 1860, lehnen den Verkauf von Anteilen zur kurzfristigen Liquiditätsbeschaffung ab und stehen diesem Thema grundsätzlich abweisend gegenüber.

Wir, die Fans des TSV 1860, lehnen ein weiteres Engagement durch den Investor Nicolai Schwarzer ab. Ebenso ist für uns eine Rettung durch die Unicredit Bank, die Mutterfirma der Hypo Vereinsbank, einem Sponsor des FC Bayern nicht hinnehmbar.

Wir, die Fans des TSV 1860, sind der Überzeugung, dass das Konstrukt TSV 1860 in dieser Form nicht mehr erhaltungswürdig ist.

Wir, die Fans des TSV 1860, wollen unter diesen Voraussetzungen keine weitere Rettung mehr. Jede Rettung in der Vergangenheit hat die Lage ein Jahr später nur verschlimmert. Wie soll sich ein Verein wirtschaftlich konsolidieren, der einen seit Monaten sinkenden Zuschauerschnitt aufweist?

Wir, die Fans des TSV 1860, veranstalten auch KEINE Demonstration am Marienplatz! Dieser Aufruf ist blinder Aktionismus von Internet-Löwen, die die momentane Lage des TSV 1860 nicht verstanden haben.

Wir, die Fans des TSV 1860, wollen einen Neuanfang! Ohne Fröttmaninger Arena, ohne karrieregeile Geschäftsführer, ohne am Tropf des FC Bayern zu hängen und ohne und jegliche Politiker, die 1860 als Selbstdarstellungszweck benutzen.

Die Vereinsführung muss akzeptieren, dass ihr Sanierungskonzept nicht im langfristigen Sinne des Vereins sein kann. So lange die momentane Vereinsführung kein Konzept für einen selbständigen TSV 1860 vorlegt und vorlebt, lehnen wir jegliche Form von finanzieller Rettung ab und sagen: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!

Es gilt also den „geordneten“ Rückzug anzutreten und die überfällige Insolvenz anzumelden. Ein Neuanfang in einer unteren Liga (möglich wären die Bayernliga oder vielleicht sogar die Regionalliga) scheint momentan die einzige Rettung der Löwen zu sein, um wieder eine eigene Identität zu finden.

Wir sind der festen Überzeugung, dass der TSV 1860 München e.V. mit der Unterstützung seiner Mitglieder und Fans und mit einer ehrlichen, sich mit dem Verein identifizierenden Vereinsführung die Rückkehr in den Profifußball schaffen wird!

Und dann gilt es alles anders zu machen: Nie wieder in Großprojekte für die Stadt München einsteigen! Nie wieder Politiker in den Verein lassen! Nie wieder mit dem FC Bayern zusammenarbeiten! Nie wieder suspekte Investoren in den Verein lassen! Nie wieder Vermarktungsfirmen in den Verein lassen! Nie wieder die Identität verraten, denn sie ist unser höchstes Gut!

Wir wollen 1860 – wir sind 1860

Zuhören, verstehen und handeln – Kommentar von Alfons Seeler

Artikel vom 24.03.2011
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