JIZ-Infoabend zu Scientology – Gefahr auch für Jugendliche

München/Schwabing · Die Fänge der Sekte

Der ehemalige Leiter von Scientology Österreich Wilfried Handl (Mitte)	 schaffte den Sektenausstieg. Vor der Organisation warnten außerdem Harry Bräuer (l.) und  Rudi Forstmeier. 	Foto: js

Der ehemalige Leiter von Scientology Österreich Wilfried Handl (Mitte) schaffte den Sektenausstieg. Vor der Organisation warnten außerdem Harry Bräuer (l.) und Rudi Forstmeier. Foto: js

München/Schwabing · Auch Jugendliche können in die Fänge von Scientology geraten. Im Jugendinformationszentrum (JIZ) an der Herzogspitalstraße berichtete kürzlich der Aussteiger und Buchautor Wilfried Handl über seine Erfahrungen mit der Sekte, die in München ihren Sitz in der Beichstraße in Schwabing hat.

Welche potenziellen Gefahren von Scientology ausgehen, erläuterten außerdem Harry Bräuer, der Sektenbeauftragte der Polizei, und Diakon Rudi Forstmeier von der Evangelischen Beratungsstelle »Neue religiöse Bewegungen«.

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Seit etwa eineinhalb Jahren wende sich Scientology verstärkt an Jugendliche, sagte Bräuer. Der Kontakt werde häufig über Gespräche zu Themen wie Frieden und Menschenrechte aufgebaut. Handl warnte: »Diese Leute tragen keine Teufelshörner, sie können sehr charmant sein.« Bräuer zufolge sind sie derzeit besonders an der Sonnenstraße aktiv. Tätig seien sie unter anderem auch als Nachhilfelehrer für Schüler. An die Zuhörer appellierte er, derartige Fälle bei der Polizei zu melden. Aus diesem Grund ist die Schwabinger Philosophiestudentin Maria Winter zur Veranstaltung gekommen. An ihrer Hochschule werde derzeit per E-Mail vor Nachhilfelehrern gewarnt, die der Sekte angehören. Besucht hat den Informationsabend außerdem Schwester Gisela vom Angerkloster. Sie leitet die Fachakademie für Sozialpädagogik der Armen Schulschwestern am Mariahilfplatz in der Au für Mädchen und junge Frauen. Ihr sei es wichtig, bei den Schülerinnen ein Bewusstsein für den Unterschied zwischen Erziehung und Manipulation zu schaffen, sagte sie. Allerdings komme sie häufig mit ihren Klassen ins JIZ, um die Einrichtung bei den angehenden Erzieherinnen bekannt zu machen.

Gekommen sind zu der Veranstaltung insgesamt mehr als 100 Gäste. Was sich in den Räumen in der Beichstraße in etwa abspielt, zeigte Handl ihnen mit einer Vorführung: »Welchen Beruf hatten Sie im Jahr 1602?«, fragte er eine junge Frau aus dem Publikum. Bei derartigen Verhören seien die Sektenmitglieder meist an Lügendetektoren angeschlossen, völlig veraltete Geräte aus den 1950er-Jahren. Dauern könne die Prozedur rund zwölf Stunden lang – und koste die Beteiligten 3.000 Euro. Immer wieder kämen völlig überschuldete Sektenmitglieder zu ihm, sagte Forstmeier. Doch selbst wenn er den Menschen aus ihrer finanziellen Misere helfen könne, fänden viele den Ausstieg nicht. Er berichtete von einem jungen Mann, der innerhalb von sechs Wochen 30.000 Euro an die Scientologen bezahlt habe: »Er kam erst zu mir, als er völlig pleite war.« Nachdem ihm seine Eltern das Geld geliehen hätten, habe er jedoch weitere Unterstützungsangebote abgelehnt und sei sofort zu seiner Sekte zurückgekehrt.

Vertreter von Scientology waren beim Infoabend nicht eingeladen. »Gemäß § 6 VersG« hat das JIZ von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und »Mitgliedern und Sympathisanten von Scientology den Zutritt in die Räume des Jugendinformationszentrums verwehrt«.

Scientology ist eine religiöse Bewegung, deren Lehre auf Schriften des US-amerikanischen Schriftstellers L. Ron Hubbard zurückgeht. In der Öffentlichkeit ist Scientology umstritten, vor allem auch in Deutschland. In den USA genießt Scientology nach jahrelangem Rechtsstreit den Status einer steuerbefreiten Religionsgemeinschaft. In Deutschland wird die Scientology-Kirche seit 1997 in mehreren Bundesländern aufgrund eines Beschlusses der Innenministerkonferenz durch den Verfassungsschutz beobachtet. Scientology sprach 2005 von über zehn Millionen Anhängern inklusive der Menschen, die einen Kurs besuchten, ohne weiterzumachen. Seriöse empirische Schätzungen nehmen dagegen kaum mehr als 100.000 Anhänger an.

In Deutschland soll es laut staatlichen Quellen zwischen 5.000 und 7.000 Scientologen geben, wobei der engere Kreis noch deutlich geringer geschätzt wird. Die geographische Hochburg Scientologys bleiben die Vereinigten Staaten und hier insbesondere die Westküste. Julia Stark

Artikel vom 02.11.2010
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