Die „Porzellanklinik“ in Schwabing

Schwabing · Rettung für Brüche

Letzte Rettung für zerbrochenes Porzellan: Richard und Peter Deesy. Foto: sd

Letzte Rettung für zerbrochenes Porzellan: Richard und Peter Deesy. Foto: sd

München/Schwabing · Der kleine Laden in der Clemensstraße im Münchner Stadtteil Schwabing sieht alles andere als spektakulär aus. Dennoch ist er ein kleines Unikum von denen es hierzulande nur noch eine Handvoll und in München sogar kein zweites Mal gibt. Die so genannte „Porzellanklinik“ wird nunmehr seit über 20 Jahren von den Brüdern Richard und Peter Deesy geführt.

Bereits ihre Eltern hatten den Betrieb geleitet, bevor die beiden in ihre Fußstapfen traten. Ihre Mutter hatte das Restaurieren von Porzellan in Ungarn gelernt und vieles von ihrem Wissen an die Söhne weitergegeben. „Denn den Beruf des Porzellanrestaurators gibt es so offiziell gar nicht. Restaurieren von Porzellan ist eine komplexe Sache, das viele verschiedene Techniken erfordert“, verrät Peter Deesy.

Die beiden Brüder haben ihr Handwerk zusätzlich solide gelernt. Der eine ist ausgebildeter Porzellanmaler und Restaurator, der andere hat sich auf das Modellieren spezialisiert. Die vollen Regale mit Figuren, Porzellan und Glaswaren verraten, dass es ihnen nicht an Arbeit mangelt. „Besonders in diesem Jahr hatten wir viel zu tun“, sagt Richard Deesy. Die Leute kommen von überall her. Aus Österreich, Italien oder aus Norddeutschland. Und sie kommen immer wieder. Wie zum Beispiel die Kundin D. Menzel aus Bogenhausen. Sie bringt ihr kaputtes Porzellan bereits seit dreißig Jahren in die Porzellanklinik. An diesem Tag hat sie einen Meißner Deckel von einer Suppenterrine dabei.

Der kleine Engel, der als Knauf dient, um den Deckel zu heben, ist abgebrochen „Die Sachen haben oft zwar keinen so großen Wert mehr, aber wir benutzen sie tagtäglich und manches kann man auch nicht mehr nachkaufen“ begründet Menzel ihre Besuche. Auch schätzt sie die familiäre Atmosphäre in dem kleinen Laden. Sie ist sich sicher, dass der Deckel nach der Reparatur wieder so gut wie neu aussehen wird. So gut kennt sie mittlerweile das handwerkliche Geschick ihrer Auftragsnehmer. Deshalb schickt sie auch Freunde und Bekannte hierher. Und nicht nur die, auch Läden und Porzellanhersteller verweisen auf die „Klinik“, wenn ihren Kunden etwas zu Bruch gegangen ist. Manchmal schicken die Leute ihre Bruchstücke auch mit der Post. Das haben die Brüder weniger gerne, denn „wir müssen die Sachen selbst begutachten, um es abschätzen zu können“ sagt Richard Deesy. Meist sind es ältere Bürger, die ihre Lieblingsstücke hierher bringen. So wie eine Kundin, die bereits zum dritten Mal ihren Porzellanlampenschirm zum Restaurieren vorbei brachte. Jedes Mal hatte die Katze den Schirm umgeworfen.

Viele bringen auch richtige Kostbarkeiten vorbei, die auch für die erfahrenen Restauratoren eine Herausforderung bedeuten. So zum Beispiel eine pompöse, wertvolle Porzellanlampe von Meißen, die der Elektriker beim Anbringen aus Versehen zu Boden hatte fallen lassen. Hunderte von Bruchstücken galt es wieder zusammenzufügen.

Wer denkt, mit einfachem Zusammenkleben wäre es getan, der irrt. Es werden Farben gemischt und die Bruchstellen überdeckt, so dass am Ende mit bloßen Augen oft die Risse nicht mehr zu sehen sind. So wie bei der 300 Jahre alten chinesischen Vase auf dem Tisch im Laden, der man nicht mehr ansieht, dass sie einmal zerbrochen war. Von Sofia Delgado

Artikel vom 27.10.2010
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...